Lebensziele verändern sich. Vor fünfzig Jahren galt die Devise „Leben um zu arbeiten“ und die Generation danach arbeitete, um zu leben. Ab 1986 herrscht jedoch die Vorstellung, man müsse sich in seiner Arbeit verwirklichen können und „leben beim arbeiten“, so Dr. Barbara Schmeiser. In diesem Zuge hielt auch der Begriff der Work-Life-Balance Einzug in den deutschen Sprachgebrauch. Besonderes im Arztberuf scheint diese Balance schwierig umzusetzen zu sein.
Die Mitgliederbefragung des Marburger Bundes von 2017 ergab, dass viele Ärztinnen und Ärzte eigentlich weniger arbeiten wollten. Schmeiser stellte hier die Zahlen vor, dass 60 Prozent der Befragten 50-80 Stunden in der Woche arbeiten, 80 Prozent aber lieber 30-50 Stunden arbeiten möchten. Eine solche Diskrepanz zwischen Ist- und Wunschzustand macht für viele eine Work-Life-Balance unmöglich.
Schmeiser betonte aber, dass belastende Umstände, wie die lange Ausbildung, Nacht- und Wochenenddienste, viele Überstunden oder auch die hohe Verantwortung, durch strukturierte Veränderungen verbessert werden könnten. Hierzu zählte sie:
- Verankerung von „Vereinbarkeit“ als Wert von Norm in der Klinikkultur
- Etablierung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen
- Ausbau der Kinderbetreuung
- Flexible Arbeitszeiten
- Flexible Aus- und Weiterbildung (auch in Teilzeit)
- Angebot von Weiterbildung/Zusatzbezeichnungen während der Arbeitszeit
- Mentoring
- Wiedereinstiegs-Programme
- Realisierung des neuen Mutterschutzgesetzes
Schmeiser hob insbesondere den Ausbau der Weiterbildungsmöglichkeiten in Teilzeit hervor. Hier müsse sich einiges tun.
Alles gut und schön, aber was kann man selber tun? Planung sei auch hier die halbe Miete, so Schmeiser. Bevor eine Stelle angetreten wird, sollte man sich vorher immer über den Chef und die Abteilung im Vorfeld erkundigen. Außerdem sei ein gutes Zeitmanagement das A und O – wann endet der Dienst, wann die Schule oder die Kita? Hierzu gehöre auch die Suche nach einer geeigneten Kinderbetreuung und die Absprache mit dem Partner/der Partnerin, wie die Rollen aufgeteilt werden. Mithilfe von MentorInnen kann auf der Arbeit auch einfacher mit dem Thema umgegangen werden, wenn man Unterstützung im Team hat und einen Ansprechpartner, der unterstützt und berät.
Ein Engagement in der Berufspolitik sei auch eine Möglichkeit, so Schmeiser. „Natürlich bedeutet das zunächst einmal Mehraufwand, aber man kann dazu beitragen, die Rahmenbedingungen für alle zu verändern.“ Hierfür hat der Deutsche Ärztinnenbund das Junge Forum ins Leben gerufen. Dort können sich junge, angehende Ärztinnen miteinander austauschen und aus ihren unterschiedlichen Lebenssituationen und Fachgebieten berichten.