Es gibt in Deutschland circa 1.100 Reha-Kliniken mit insgesamt 160.000 Betten. Das Ziel dieser Kliniken ist es, die Patientinnen und Patienten wieder in das private, berufliche und/oder soziale Leben einzugliedern. Doch oftmals wirkt eine Reha-Klinik als Arbeitsplatz gerade für junge Medizinerinnen und Mediziner nicht sonderlich attraktiv. „Reha-Arzt klingt erstmal so unsexy, das ist schade“, sagt Dr. Matthias Rudolph, Chefarzt der Mittelrhein-Klinik. Es gebe viele Vorurteile, dass es sich in Reha-Kliniken „nur“ um Fango-, Kur- oder Bäderärzte handle, dabei seien sie genau die Spezialisten für Menschen mit chronischen Erkrankungen.
Viele Pluspunkte
„Wir betreuen im Jahr etwa zwei Millionen Menschen. Das ist gar nicht so ein Randgebiet, wie viele vielleicht denken“, beschreibt Rudolph weiter. Für Berufseinsteiger sei das Arbeiten dort entspannter, weil sie keine Akutentscheidungen über Leben und Tod treffen müssen wie im Krankenhaus. Außerdem gebe es anders als im Akutkrankenhaus keine unvorhersehbaren Tagesabläufe. Dieses Jobprofil eigne sich nicht für jede Person.
„In der Reha-Klinik ist alles viel ruhiger, wir haben nur geplante Aufnahmen. Deswegen kann man sich intensiv mit den Patientinnen und Patienten beschäftigen“, erklärt Rudolph. Man könne sich beispielsweise die Akte vor der Aufnahme bereits anschauen, sich mit dem Krankheitsbild vertraut machen, Medikamente nachschlagen oder Kollegen fragen, worauf man achten solle.
Zweiter Pluspunkt: In der Reha bleiben die Patienten deutlich länger als im Akutkrankenhaus. Bei der somatischen Reha sind die Patienten etwa drei bis vier Wochen da, in der psychosomatischen sogar fünf bis sieben Wochen. „Hier hat man einfach Zeit für die Menschen“, schwärmt Rudolph. „Das ist doch eigentlich ein Traum für einen jungen Arzt, Menschen so lange begleiten zu dürfen.“ Man könne hier auch direkt sehen, ob und wie die Therapie wirke. Das sei im Akutkrankenhaus nicht möglich.
Ganzheitliche Behandlung
Darüber hinaus sei Teamarbeit in der Reha ein ganz großer Punkt. „Das muss man mögen“, gibt Rudolph zu bedenken. Denn hier zähle die Rückmeldung der Krankenschwester und des Physiotherapeuten genauso viel wie die des Arztes oder der Ärztin. Gleichzeitig sei es unglaublich entlastend, wenn das Arbeiten nicht so arztzentriert sei, dass gerade für junge Kollegen alles auf deren Schultern laste. In den interdisziplinären Fallkonferenzen, die durchgeführt werden, könne man außerdem auch als junger Mediziner oder Medizinerin ganz viel lernen, ebenso in den Mentoring-Programmen.
„Wir retten keine Leben, wir retten Lebensläufe“, zitiert Rudolph eine Kollegin. Das sei das Besondere am Arbeiten in der Reha-Klinik. Denn man begleite die Menschen ein Stück auf ihrem Weg und führe sie nach ihrer schweren Erkrankung ins Leben zurück. „Man behandelt den Menschen in seiner Gesamtheit“, erklärt Rudolph. Man habe Zeit für einen ganzheitlichen und individuellen Therapieansatz mit sozialer Komponente.
Alles eine Frage der Planung
Aber wie sieht es mit Facharztweiterbildungen in Reha-Kliniken aus? „Man muss nicht als fertiger Facharzt in die Klinik kommen, in vielen Kliniken gibt es ein breites Weiterbildungsspektrum“, beschreibt Rudolph. In seiner Mittelrhein-Klinik könne man beispielsweise den ganzen Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie machen. Junge Medizinerinnen und Mediziner sollten sich einfach in den jeweiligen Kliniken informieren, welche Angebote diese bieten. Für alle Indikationen gebe es im Grunde auch Reha-Indikationen und Fachabteilungen.
Möglich sei auch, nur einen Teil der Facharztweiterbildung in einer Reha-Klinik zu absolvieren. „Ich empfehle allen jungen Kolleginnen und Kollegen, die Weiterbildung strategisch zu planen“, so Rudolph. Man kann auch ein bis drei Jahre in der Reha sein und muss nicht dort bleiben. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in der Reha auch ganz anders gegeben als im Akutkrankenhaus, das funktioniert gut.“
Quelle: Operation Karriere-Kongress Frankfurt, 14. Mai 2022, Weiterbildungsmöglichkeiten – Junge Ärzte im Reha-Zentrum, Dr. Frank Matthias Rudolph, Chefarzt der Mittelrhein-Klinik, Boppard - Bad Salzig