Schüler-Springorum selbst hat es weit gebracht: Sie ist Ärztliche Direktorin des LWL-Therapiezentrums für Forensische Psychiatrie Marsberg – und sie ist Mutter von drei Kindern. Ihr eigener Lebenslauf zeige, wie sich eine Klinik auch in Teilzeit leiten lasse, erklärte Schüler-Springorum.
Blöde Sprüche gab es allerdings von Anfang an: "Vielleicht lieber Pharmazie? Da kann man halbtags arbeiten" wurde ihr schon bei der Wahl des Studiums geraten. In ihrer Zeit als Assistenzärztin wurden eine gleichaltrige Kollegin und sie immer nur als "die Mädchen" bezeichnet – und fühlten sich entsprechend wenig ernstgenommen. Doch Schüler-Springorum zeigte ebenfalls, dass es auch anders geht: Von ihrem Chef habe sie auch mal ein bewunderndes "Ich halte Frauen mit Kindern für viel belastbarer als die meisten Männer" zu hören bekommen.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Kind?
Grundsätzlich lasse sich der richtige Zeitpunkt für eine Schwangerschaft schlecht planen, erklärte Schüler-Springorum. Verschiedene Phasen der Berufslaufbahn bieten dabei aber unterschiedliche Vor- und Nachteile: So gebe es im Studium gute Betreuungsmöglichkeiten und keine Vertragsprobleme.
In der Assistenzarztzeit habe sich die Situation im Vergleich zu früher etwas verbessert: Inzwischen gebe es auch die Möglichkeit, die Facharztweiterbildung in Teilzeit zu absolvieren – die Weiterbildungszeit ziehe sich dadurch allerdings in die Länge. Vor allem Nachtdienste könnten problematisch sein – je nach Familienmodell seien Nachtdienste aber zum Teil auch eine Chance, weil der Partner nachts bei den Kindern bleiben könne. Da es auch immer häufiger die Möglichkeit gebe, z.B. Berichte im Home Office zu schreiben, sei die Assistenzarztzeit inzwischen deutlich besser mit der Familie vereinbar als noch vor einigen Jahren.
Als Fachärztin habe man auch die Möglichkeit, freiberuflich zu arbeiten – dadurch entstehe eine gewisse Unabhängigkeit, z.B. bei Praxisvertretungen, in MVZ, aber auch über Vorträge und Honorararzttätigkeiten.
In der Klinikleitung bzw. als Oberärztin wiederum könne man aktiv zur Vereinbarkeint von Beruf und Familie in der Klinik beitragen und selbst ein familienfreundliches Modell vorleben. Auch hier seien eine Teilzeitbeschäftigung, mobiles Arbeiten und Home office unter Umständen möglich. Grundsätzlich gehe es bei Führungskräften ja nicht nur um die Frage, ob man prinzipiell auch mit Kindern den Arztberuf ausüben könne – auch eine richtige Karriere sei möglich. Sie selbst habe beispielsweise als Klinikleiterin ein Reisebett in ihrem Büro, in dem ihre Kinder schlafen können, wenn sie krank sind. "Inzwischen kommen Kolleginnen zu mir und leihen es für ihre eigenen kranken Kinder aus".
"Halten Sie Kontakt!"
Eine der wichtigsten Botschaften an das Publikum: "Halten Sie in der Elternzeit Kontakt!" Das sei in beide Richtungen wichtig: Der Chef sollte Kontakt zu Mitarbeiterinnen in Elternzeit halten und sie z.B. zu Fortbildungen oder Klinikveranstaltungen einladen – aber auch die Eltern sollten in der Klinik regelmäßig von sich hören lassen.
Bei der Wahl der Facharztrichtung könne man auch ein paar Weichen in Richtung Familienfreundlichkeit stellen – in Disziplinen wie Psychiatrie oder Arbeitsmedizin sei der Arbeitsalltag leichter planbar. Aber auch operative Fächer seien heute häufig auch mit Familie vereinbar – das sei nur etwas komplizierter zu organisieren.
Teilzeit muss man einfordern!
Generell müsse man beispielsweise eine Teilzeitstelle aktiv einfordern – allerdings sei Teilzeit auch immer mit Risiken verbunden: Der unmittelbare Gehaltsverzicht führe auch zu Einbußen bei der Rente und trage die Gefahr von Altersarmut in sich. Außerdem werde von einem erwartet, dass man fast das gleiche Arbeitspensum in einer kürzeren Zeit erledigen könne. Und auf soziale Aspekte des Jobs, beispielsweise auf Kaffeepausen mit den Kollegen, müsse man verzichten. Daher sei auch eine höhere Arbeitszeit eine Überlegung wert: Durch das entsprechend höhere Gehalt könne man sich beispielsweise Haushaltshilfen leisten – und das führe wiederum zu mehr Quality-Time mit den Kindern, da man nach Feierabend nicht erst noch putzen und bügeln müsse.
In vielen Kliniken gebe es verständnisvolle Vorgesetzte, die Eltern unterstützen. Hilfreich seien engagierte Mitarbeiter und Vorgesetzte mit guten Ideen, wie beispielsweise
- flexible Arbeitszeiten
- Mutter-Kind-Räume
- Betriebs-KiTa
- Nacht-KiTa
- Notfallplätze
- Tagesmütter
- Kinderbetreuung bei Fortbildungen mit Übernachtungen
- Mittagessen für Familien
- Bügelservice
- Ferienbetreuung
Familienfreundlichkeit müsse gelebt und eingefordert werden. Schüler-Springorum riet, Kinder-Termine offen zu kommunizieren und sich die Kinderbetreuung fair mit dem Partner aufzuteilen: "Fair ist nicht, wenn immer nur die Frau mit den kranken Kindern zu Hause bleibt". Wichtig sei es auch, mit den eigenen Kräften zu haushalten und sich von allzu perfektionistischen Vorstellungen zu verabschieden: "Alles schafft man einfach nicht – das muss man auch so akzeptieren". Dabei müsse man aber auch Rücksicht auf den Arbeitgeber und die Kollegen nehmen: Die Situation sei für alle auf Dauer schwierig, wenn Eltern beispielsweise alle Brückentage für sich beanspruchen, weil die KiTa zu hat – gleiches gelte für Ferienplanung ohne Kompromissbereitschaft: Hier müsse man auch die Interessen kinderloser Kollegen berücksichtigen, um dauerhaft ein gutes Betriebsklima zu erhalten.
Operation Karriere Frankfurt, 02.02.2019, "Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Kann das klappen?", Dr. Mareike Schüler-Springorum, Ärztliche Direktorin im LWL-Therapiezentrum für Forensische Psychiatrie, Marsberg