Kritik von "oben nach unten" ist die Regel. Dafür sind Führungskräfte ausgebildet, dadurch finden auch Wissenstransfer und die Weitergabe von Kompetenzen statt. Doch wie verhält es sich in die andere Richtung?
Wichtig: Objektiv bleiben
Kritik ist häufig ein Problem, weil dabei ein Mensch den anderen bewertet und man dabei immer auch Gefahr läuft, auf die persönliche Spur abzudriften. Denn hier spielen Dinge wie Sympathie oder Abneigung, hierarchische Machtverhältnisse – kurz die Beziehung zwischen Kritikgeber und Kritiknehmer – eine Rolle.
Besonders heikel wird es dann, wenn die Kritik der Mitarbeiter an seiner Führungskraft übt. Ist ein solches Verhalten überhaupt angemessen? Ist z.B. der junge Assistenzarzt durch seine noch geringe Erfahrung überhaupt zu konstruktiver Kritik gegenüber dem Chefarzt fähig? Das Deutsche Ärzteblatt ging dieser Frage nach und sprach mit Prof. Dr. Bernhard Brehm, Chefarzt am Herz-Neuro-Zentrum Bodensee.
Dieser hat bei vielen Führungskräften in Klinik und Praxis einen Wandel ihres Führungsverständnisses beobachtet. Demnach seien Ärzte mit Leitungs- und Personalverantwortung immer öfter bereit, Kritik von Ärzten aus dem Team anzunehmen. Eine Bedingung müsse jedoch erfüllt werden: Die Kritik muss sachlich und produktiv bleiben.
Vor der Kritik: Führungskraft einschätzen
Der Mitarbeiter sollte zunächst einschätzen, welche Grundhaltung seine Führungskraft zu Kritik hat: Betrachtet er sie primär als Quelle von Verbesserungsvorschlägen oder als Versuch, ihn bloßzustellen? „Wenn der Chef offen und flexibel auf Mitarbeitervorschläge eingeht, ist es wahrscheinlich, dass er auch Kritik an der eigenen Person zulässt und positiv verarbeitet. Ist er hingegen ein Kommunikationsmuffel und hält gerne am Status quo fest, wird Kritik eher auf unfruchtbaren Boden fallen“, so Brehm im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. Kritik auf der Beziehungsebene sollte der Mitarbeiter am besten ganz vermeiden. Damit setze er sich nur in ein Wespennest.
So kommt Kritik richtig an
Folgende Regeln beim Umgang mit Kritik sind zu beachten, damit ein Kritikgespräch zur Lösung von Problemen beiträgt und die Zusammenarbeit verbessert:
• Kritik sollte grundsätzlich in einer respektvollen Form erfolgen.
• Kritik solllte immer aufgaben- und anlassbezogen, lösungsorientiert und sachlich sein.
• Kritik ausschließlich gegenüber Betroffenen anbringen und nicht vor dem gesamten Team.
• Die Kritik sollte stichhaltig sein und auf Fakten – nicht auf Behauptungen – aufbauen.
• Grundsätzlich gilt: Schuldzuweisungen vermeiden!
Vorbereitung: Was soll die Kritik erreichen?
Der kritisierende Arzt sollte sich vorab die Frage stellen, was er mit seiner Kritik bewirken will und welche Schritte notwendig sind, um diese Wirkung zu erreichen. Erst dann bittet er die Führungskraft um einen Gesprächstermin.
Aus dem Gespräch sollte hervorgehen, dass Führungskraft, Team und kritisierender Arzt am gleichen Strang ziehen und man gemeinsam Ziele erreichen will. Danach folgt der eigentliche Zweck des Gesprächs: das Vortragen der Kritikpunkte. Die Kritik kann als Feedback verpackt werden, welche helfen soll, die Arbeitsabläufe zu optimieren, oder als Frage, welche nicht direkt den Chef selbst angreift, sondern zum Nachdenken anregt. Ein Beispiel aus der Praxis: Bei einem unpünktlichen Chefarzt, auf den das gesamte Team warten muss und Kollegen beginnen das unpünktliche Verhalten des Vorgesetzten zu übernehmen, könnte das Feedback so aussehen: „Immer wieder passiert es, dass einige Ärzte zu spät zu Besprechungen erscheinen. Dadurch verliert das ganze Team an Zeit. Wie können wir das ändern?“
Im Gespräch: Chefarzt um Feedback bitten
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird der Oberarzt mögliche Lösungswege nennen – und der Arzt kann darauf seine Alternativlösungen einbringen. Der kritisierende Arzt vermeide dadurch den Anschein, der Chef trage für die Probleme die Verantwortung, fasst Brehm zusammen. „Er versteckt seine Kritik in einem sachlichen Gespräch und konzentriert sich auf die Problemlösung, die auch eine Verhaltensänderung des Chefs erforderlich macht.“
Quelle: Der komplette Artikel „Wie es gelingt, dem Chef auch mal die Wahrheit zu sagen“ ist im Deutschen Ärzteblatt 2015, Ausgabe 45 erschienen.