Zu Beginn ihres Vortrags erklärte Walter kurz die Rolle der Ärztekammern in Deutschland. Mit der Approbation werde jeder junge Mediziner auch automatisch Mitglied der Landesärztekammer seines Bundeslandes. Man könne die Möglichkeit zur Selbstverwaltung der Ärzte gar nicht hoch genug schätzen: "Das ist ein hohes Gut!". Die stellvertretende ärztliche Geschäftsführerin der LÄK Hessen forderte den Nachwuchs dazu auf, sich aktiv zu engagieren und die vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. Als Anlaufstelle für Berufseinsteiger habe die hessische Landesärztekammer erst kürzlich eine neue Online-Plattform auf ihrer Homepage gestartet.
Welche Pläne haben Studienanfänger? Und was setzen sie später um?
Um zu erfahren, wie die LÄK die jungen Mediziner möglichst gut unterstützen kann, gibt es das Befragungsprojekt für den ärztlichen Nachwuchs seit 2009. Für die Absolventenbefragung verschicke die Kammer die Fragebögen zusammen mit den Prüfungsergebnissen, erklärte Walter. Parallel gebe es aber auch eine Befragung von Studienanfängern.
Bei der Absolventenbefragung wird in der Retrospektive erhoben, welche Pläne die frisch approbierten Ärzte zu Beginn des Studiums hatten. Außerdem fragt die Erhebung nach den Weiterbildungs- und Berufsplänen und erhebt demographische Daten. Dadurch ergibt sich ein umfassendes Bild der hessischen Nachwuchsmediziner: So seien knapp zwei Drittel der Absolventen weiblich, ein Drittel sei männlich, beschrieb Walter die Studienergebnisse. Im Durchschnitt habe jeder Absolvent etwas mehr als 13 Semester bis zum Abschluss gebraucht.
Warum Arzt werden?
In der Befragung werden auch die Gründe abgefragt, warum sich die Absolventen für ein Medizinstudium entschieden haben. Dabei stehen das wissenschaftliche und medizinische Interesse (63,3 Prozent) sowie die Erwartung einer interessanten und vielseitigen Tätigkeit (62,4 Prozent) bei vielen ganz vorn. Auch wichtig: im Job viel mit Menschen zu tun zu haben (55,1 Prozent). Etwas weniger entscheidend sind der Wunsch, anderen zu helfen (32,0 Prozent) und die Hoffnung auf einen sicheren Arbeitsplatz (26,0 Prozent). Für nur 7,3 Prozent der Befragten spielte die gute Bezahlung bei der Berufswahl eine Rolle. Interessant: Die Einstellungen der Befragten seien hier in vielen Bereichen sehr konstant, erklärte Walter. Der Grund: Schon Kinder wüssten, was ein Arzt tue – das sei in anderen Studienfächern anders. Daher stehe der Berufswunsch "Arzt" bei vielen schon in der Kindheit fest.
Zu Beginn des Studiums planten 38,2 Prozent der Befragten, später in einem Krankenhaus zu arbeiten. Ein Viertel (25,5 Prozent) hatte noch keine konkreten Pläne. Etwa ein Drittel hatte vor, sich später als Fach- oder Hausarzt mit einer eigenen Praxis selbstständig zu machen. Nur 1,8 Prozent gaben an, nach dem Examen überhaupt nicht als Arzt arbeiten zu wollen.



Und welche langfristigen beruflichen Positionen streben die Befragten an? Etwa 30 Prozent wollen Oberarzt werden, 21 Prozent möchten sich selbstständig machen. Hier habe in den letzten zehn Jahren eine Verschiebung der Prioritäten stattgefunden, erklärte Walter: Während früher viel mehr Absolventen eine Chefarzt-Position anstrebten, seien es heute nur noch 4,4 Prozent. Es sei vielen einfach nicht mehr wichtig, die Karriereleiter möglichst weit nach oben zu klettern. Walter appellierte an die Kliniken, sich auf neue Führungsstruktren einzulassen – hier finde gerade eine Generationswechsel statt.
Wie läuft es in der Weiterbildung?
Seit 2013 erfasst die Kammer auch, wer wo seine Weiterbildung absolviert und wie weit er damit ist: Im verpflichtenden Weiterbildungsregister werden über 90 Prozent der jungen Ärzte in Weiterbildung gemeldet. Abgefragt wird unter anderem auch, wer in Voll- oder Teilzeit arbeitet, wie hoch die Wochenarbeitszeit ist, wer gerade in Elternzeit ist und ob es offene Stellen gibt. Ein Ergebnis: Weniger als die Hälfte (44 Prozent) aller erfahrenen Ärzte, die eigentlich weiterbilden dürften, tun das tatsächlich auch. Besonders im ambulanten Bereich blieben viele Stellen unbesetzt. Im stationären Bereich gebe es vor allem in der Anästhesiologie (57 Prozent) viele offene Stellen.
Walter kritisierte, dass die Weiterbildung in Deutschland zu lange dauere, auch verglichen mit anderen europäischen Ländern. "Das Durchschnittsalter während der Weiterbildung liegt bei 35 Jahren – das ist viel zu alt. Aber das liegt nicht an den jungen Ärzten, sondern an den Strukturen in Deutschland." Übrigens liege der Männeranteil in der Weiterbildung höher als im Studium und steige stetig an: Lag das Verhältnis Männer:Frauen 2013 noch bei 38:62, habe es sich im Jahr 2017 auf 43:57 verschoben. Der Grund dafür sei, dass viele junge Männer aus dem Ausland zwar nicht in Deutschland studiert haben, aber hier ihre Facharztweiterbildung absolvieren, erklärte Walter. Derzeit habe jeder vierte Arzt in Weiterbildung einen ausländischen Pass.
Operation Karriere Frankfurt, 02.02.2019. Impulsvortrag „Beruf und Karriere – Was junge Mediziner wirklich wollen“, Nina Walter, Leiterin Stabsstelle Qualitätssicherung und stellvertretende ärztliche Geschäftsführerin, Landesärztekammer Hessen, Frankfurt a.M.