Man hatte mich also zu einem Vorstellungsgespräch nach Harvard eingeladen, und ich fühlte mich fraglos sehr geehrt. Ich stieg am Vortag des Vorstellungsgespräches früh morgens ins Flugzeug und flog nach Boston, suchte mir in jener teuren, großen, aber auch schönen Hafenstadt ein Hotel und machte mit der mir verbleibenden Freizeit Touristisches: Ich schaute mir Wale auf dem offenen Meer an, spazierte durch die Innenstadt, rieb der Statue des Harvardgründers John Harvard den linken Schuh (das soll Glück bringen) und genoss den abendlichen Sonnenuntergang.
Doch sehr schnell verging die Zeit und am nächsten Morgen ging ich, natürlich im besten Anzug und gut vorbereitet, zu meinem Vorstellungsgespräch. Was dann folgte, war in jeglicher Hinsicht beeindruckend: Es wurde mir nicht nur von national und international hochbekannten Ärzten berichtet, ich kam sogar mit einigen ins Gespräch: Man präsentierte mir beeindruckende Kennziffern des Krankenhauses, und die Atmosphäre Harvards erlebte ich hautnah mittels einer Tour durch das knapp 25-stöckige Krankenhaus (übrigens nur eines von mehreren), in dem das Spektrum von historischen und weltbekannten Gemälden und Dokumenten bis zu höchstmoderner Technologie reichte.
Zwischendrin sollte ich Fragen zu meinem Lebenslauf und Karriere beantworten, zu meinen Forschungsvorhaben, zu meiner Zukunft und zur Bewerbungsabsicht. Natürlich wurde mir klar gemacht, wie privilegiert ich mich zu fühlen habe unter sehr vielen Kandidaten einer der wenigen eingeladenen zu sein. Allenthalben hingen Plakate auf dem Harvard als “Nummer 1 in den USA” gefeiert wurde (man war etwas konsterniert als ich darauf hinwies, dass auf manchen Gebieten die Mayo-Klinik weltführend sei...) und am Ende wurde betont, wie hart man in Harvard zu arbeiten habe, wie groß aber die Möglichkeiten und die reichhaltig die Umgebung sei.
Ich verließ wenige Stunden nach meinem Vorstellungsgespräch Harvard und Boston via Direktflug zurück nach Minneapolis. Es war beeindruckend gewesen, und ich kehrte in die aus Bostons Perspektive wohl als Provinzstadt zu bezeichnende Millionenmetropole Minneapolis zurück. Aber ehrlich gesagt, war ich sehr glücklich wieder daheim zu sein.
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