Der Beitrag der Rechtsmedizin ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Untersuchung und Aufklärung von unnatürlichen Todesfällen. Seitdem menschliche DNA festgestellt und zugeordnet werden kann, wurden bereits unzählige alte Kriminalfälle neu aufgerollt und die Täter gefunden bzw. zu Unrecht verurteilte Personen wieder aus der Haft entlassen. Der Aufgabenbereich des Rechtsmediziners umfasst jedoch weit mehr als diese spektakulären Aspekte, die jeder aus Büchern und Filmen kennt.
Das Gebiet der Rechtsmedizin beinhaltet die Entwicklung, Anwendung und Beurteilung medizinischer und naturwissenschaftlicher Kenntnisse für die Rechtspflege sowie die Vermittlung arztrechtlicher und ethischer Kenntnisse für die Ärzteschaft.
Mehr als nur Leichenschau
Die darunter fallenden Aufgaben- und Forschungsbereiche sind die Thanatologie (z.B. Leichenschau), forensische Traumatologie, Toxikologie, Drogenforschung- und Diagnostik (Alkohologie), forensische Molekularbiologie (etwa DNA-Untersuchungen), forensische Sexualmedizin, Verkehrsmedizin und -psychologie, Glaubhaftigkeitsbeurteilungen aus medizinischer und forensischer Sicht, medizinische Begutachtungskunde, Behandlungsfehlergutachten, Abstammungsgutachten, Versicherungsmedizin (etwa Verletzungsgutachten), Fotografie und neue Medien (Streifenlichttopometrie), Informationstechnologie und -management.
Fälschlicherweise werden häufig Rechtsmediziner und Pathologen verwechselt. Was die beiden Berufe voneinander unterscheidet, steht in unserem Übersichtsartikel zur Pathologie.
Pathologen führen in der Regel nur Obduktionen mit Zustimmung der Angehörigen durch, wenn ein Mord, Suizid oder Unfalltod bereits ausgeschlossen werden konnte. Rechtsmediziner werden dagegen von der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht beauftragt, die äußere Leichenschau und die anschließende Leichenöffnung durchzuführen, um folgende Aspekte zu klären:
- die Todesursache,
- die Todesart (natürlich oder nicht natürlich),
- die Identität des Opfers, falls nicht bekannt,
- den Todeszeitpunkt.
In den folgenden deutschen Städten gibt es Institute für Rechtsmedizin:
Berlin, Bonn, Bremen, Chemnitz, Dortmund, Dresden, Duisburg, Düsseldorf, Erlangen, Essen, Frankfurt/Main, Frankfurt/Oder, Freiburg, Gera-Zwickau, Gießen, Göttingen, Greifswald, Halle, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Homburg/Saar, Jena, Kiel, Köln, Leipzig, Lübeck, Magdeburg, Mainz, München, Münster, Oldenburg, Potsdam, Rostock, Saarbrücken, Schwerin, Tübingen, Ulm, Würzburg, Flugmedizin Fürstenfeldbrück
Fakten zur Weiterbildung
Dauer der Weiterbildung
60 Monate bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, davon
- 6 Monate im Gebiet Pathologie
- 6 Monate in Psychiatrie und Psychotherapie oder Forensische Psychiatrie
- 6 Monate können im Gebiet Pathologie oder in Anatomie, Öffentliches Gesundheitswesen, Pharmakologie und Toxikologie, Psychiatrie und Psychotherapie oder Forensische Psychiatrie angerechnet werden
Inhalte der Weiterbildung
Die Weiterbildung sieht den Erwerb von folgenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten vor:
- die Durchführung der Leichenschau
- die rechtsmedizinische Sektionstechnik und Bewertung der makroskopischen und mikroskopischen Befunde einschließlich histologischer Untersuchungen
- die Darstellung des Kausalzusammenhangs im Rahmen der Todesermittlung unter Auswertung der Ermittlungsakten und Untersuchungsergebnisse
- die Erstattung von schriftlichen und mündlichen Gutachten über Kausalzusammenhänge im Rahmen der Todesermittlung und zu forensisch-psychopathologischen Fragestellungen
- die Asservierung, Auswertung und Beurteilung von Spuren
- die Beurteilung von Verletzungen bei Lebenden, insbesondere in Fällen von Kindesmisshandlung und Sexualdelikten
- die Beurteilung von Intoxikationen bei Lebenden und Leichen einschließlich der Materialsicherung
- die Grundlagen der forensischen Molekulargenetik unter spezieller Berücksichtigung der Paternität und Identifizierung
- strafrechtliche, verkehrs- und versicherungsmedizinische Fragestellungen einschließlich forensischer Biomechanik
- forensische Traumatologie
- forensische Anthropologie einschließlich forensischer Odontologie
- die Grundlagen der forensischen Anwendung von bildgebenden Verfahren
Definierte Untersuchungs- und Behandlungsverfahren:
- Beschreibung und Bewertung von Leichenschaubefunden
- Befunddokumentation und -beurteilung von Tat- und Fundorten
- gerichtliche Obduktionen mit Begutachtung des Zusammenhangs zwischen morphologischem Befund und Geschehensablauf
- histologische Untersuchungen
- Beurteilung von Spurenbildern und Spurenasservierung
- mündliche und schriftliche Gutachten für das Gericht
- forensisch-osteologische bzw. -odontologische Expertisen
Quellen: Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer (2015), Wikipedia