Die Anatomie ist die älteste naturwissenschaftliche Disziplin der Medizin. Bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. wurden in Alexandria die ersten belegten Sektionen des menschlichen Körpers durchgeführt. Ab dem 16. Jahrhundert begann die wissenschaftliche Anatomie. Der flämische Anatom und Chirurg Andreas Vesalius gilt als Begründer der neuzeitlichen Anatomie und des morphologischen Denkens in der Medizin. Er legte Muskelapparate, Sehnen und Nervenbahnen bis in die kleinsten Verästelungen frei. Um den Bauplan des Menschen zu verstehen, hat die Anatomie im Medizinstudium einen hohen Stellenwert. Genauigkeit und Sorgfalt sind wichtige Grundvoraussetzung für diesen Beruf.
Vielfältiges Arbeitsfeld
Fachärzte für Anatomie befassen sich mit dem Aufbau, Aussehen und Zusammenwirken des menschlichen Organismus. Sie untersuchen gesunde, aber auch krankhaft veränderte Körperteile und Organe. Sie führen biomechanische und funktionelle Untersuchungen sowie verschiedene Gewebeschnitte im Labor durch, züchten Gewebe und befassen sich mit der experimentellen Zytologie. In der Röntgenanatomie interpretieren sie beispielsweise konventionelle Röntgenaufnahmen oder Computer- und Kernspintomographien, um feinste anatomische Strukturen und Funktionsabläufe zu diagnostizieren, etwa in der Bauchhöhle. Auf dem Gebiet der Embryologie beschäftigen sich zum Beispiel mit der Entwicklung befruchteter Eizellen zu Embryonen. Auch Leichenöffnungen (Sektionen) und das Fertigen von Präparaten können ihr Arbeitsumfeld prägen: Zum Beispiel indem sie Organe plastinieren, die in anatomischen Sammlungen als Anschauungsmaterialien aufbewahrt werden.
Typischerweise sind Fachärzte für Anatomie in der medizinischen Forschung und Lehre, an anatomischen Instituten und in Krankenhäusern sowie Hochschulkliniken beschäftigt.
Fakten zur Weiterbildung
Die Dauer der Weiterbildung
Die Weiterbildungszeit in der Anatomie beträgt 48 Monate bei einem Weiterbildungsbefugten an einer Weiterbildungsstätte, davon können bis zu
- 12 Monate im Gebiet Pathologie und/oder Rechtsmedizin angerechnet werden (davon können 6 Monate in anderen Gebieten angerechnet werden)
Der Inhalt der Weiterbildung
Die Weiterbildung in der Anatomie sieht den Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in folgenden Bereichen vor:
- den grundlegenden wissenschaftlichen Methoden zur Untersuchung morphologisch-medizinischer Fragestellungen, der makroskopischen Anatomie, der mikroskopischen Anatomie und der Embryologie
- den Vorschriften des Leichentransport- und Bestattungswesens und der entsprechenden Hygienevorschriften
- der systematischen und topographischen Anatomie einschließlich der Zusammenhänge zwischen Struktur und Funktion sowie der vergleichenden Anatomie
- der klinischen Anatomie
- der Röntgenanatomie und deren grundlegenden bildgebenden Verfahren
- des Donationswesens und der Vermächtnisse
- der Embryologie und den Grundlagen der Entwicklungsbiologie
- der Konservierung und Aufbewahrung von Leichen unter Beachtung der entsprechenden Hygienevorschriften
- den makroskopischen Präparationsmethoden
- der Herstellung, Montage und Pflege von anatomischen Sammlungspräparaten und deren Demonstration
- der Histologie und mikroskopischen Anatomie einschließlich der Histochemie und der Immunhistochemie und in situ Hybridisierung mit den einschlägigen Fixations-, Schnitt- und Färbetechniken
- der Licht- und Fluoreszenzmikroskopie mit den verschiedenen Techniken
- der Gewebezüchtung und experimentellen Zytologie
- der Makro- und Mikrophotographie
- der Morphometrie mit Quantifizierungs- und Statistikmethoden
- der Elektronenmikroskopie und Molekularbiologie mit den verschiedenen Techniken
- den grundlegenden zell- und molekularbiologischen Methoden
Quelle: (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer 2015