Liebes Krankenhaus,
in der allseits beliebten Frühbesprechung ging ein Flyer für einen Kongress der DGPPN herum. Und motiviert wie ich war, habe ich mich auch gleich für einen Wochenendkongress von denen angemeldet. Und da war ich nun in Göttingen im Hochsicherheitstrakt (wenn Straftäter nach Paragraph 20/21 STGB für nicht oder nur unzureichend schuldfähig erklärt werden, werden sie nicht inhaftiert, sondern in den Maßregelvollzug geschickt. Das ist dann eine Psychiatrie, wenn die Täter dann nach einer bestimmten Zeit immer noch als gefährlich eingestuft worden sind bzw. als nicht geheilt, dann kommen sie in die Sicherungsverwahrung: http://www.juraforum.de/lexikon/schuldunfaehigkeit-ss-20-21-stgb).
Und genau in so einer war ich gerade. Und ja, ich habe schon ein mulmiges Gefühl hier. Man hat überall Zwischentüren und sieht den Stacheldraht an den Gebäudemauern hervorblitzen. Und dann steht mitten im Gebäude eine quietschgrüne Tischtennisplatte – als wäre hier alles Friede, Freude, Eierkuchen. Naja, auf jeden Fall ist der Kongress spannend. Und wir dürfen als Gruppe von fünf Personen sogar Patienteninterviews führen. Und da sitzen wir nun gerade mit Rolf im Raum und wissen gar nicht so richtig, wie wir anfangen sollen, professionell und gleichzeitig auch empathisch nach seiner Pädophilie zu fragen. Gut, dass uns der ebenfalls anwesende Psychiater da ein wenig auf die Sprünge hilft und erstmal nach den allgemeinen Dingen, wie Kindheit und Jugend fragt. Und in der ganzen Stunde Gespräch wird mir so langsam klar: Menschen ändern sich einfach nicht, traurig aber wahr. Und das scheint auch Rolf glasklar zu sein. Zum Abschluss meinte er: „Ich weiß nicht, woher ich diese Neigung habe, vielleicht schon von Geburt an, aber ich werde sie niemals ändern können. Es ist ein Teil von mir. Und vielleicht kann man Verhaltensweisen therapieren, aber Dinge, die zu einem selbst gehören, die Teil der Persönlichkeit sind, kann man eben nicht behandeln, niemals. Deshalb ist es gut, dass ich hier bin.“
Sehr nachdenklich und mit gemischten Gefühlen fuhr ich wieder zurück nach Horloch.
Fräulein Licht (25) studiert Medizin in Münster und hat Ende 2015 ihr Praktisches Jahr an der Klinik begonnen. Alle Blog-Inhalte beruhen auf den Erfahrungen der Bloggerin im PJ und geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Die Namen von eventuell vorkommenden Personen wurden geändert.