PJ-Blog: Mein erster Stich

Nach reichlich Theorie im Studium endlich im PJ in den Alltag eines Arztes eintauchen – ein Traum für jeden Medizinstudenten – oder? Fräulein Licht berichtet regelmäßig auf www.operation-karriere.de von ihren Erfahrungen an der Klinik. Teil 44: "Mein erster Stich".

Fräulein Licht

Operation Karriere-Bloggerin Fräulein Licht

Liebes Krankenhaus,

wie vom gutaussehenden Assistenzarzt versprochen, sollte ich ja heute meine erste Lumbalpunktion durchführen dürfen. Zuvor jedoch ging es, wie leider jeden Morgen, in die nichtssagende Frühbesprechung. Wie gewohnt verschlafen-monoton wird über eine Patientin mit Verdacht auf Schlaganfall berichtet und über die ach so schwierigen Zustände auf der Privatstation. Ja, im Krankenhaus gibt es zwei neurologische Stationen. Eine ist allerdings nur für Privatpatienten reserviert. Und dort beschwert man sich anscheinend häufiger, so dass der Chefarzt immer nur mittwochs und freitags zum persönlichen Händchenhalten kommt und nicht öfter. Daher gibt der Chefarzt jetzt einfach seine eigentliche Verantwortung an die Assistenzärzte ab, die sich doch bitte mehr Zeit für ihre Privatpatienten nehmen sollten … tja, typisch Chefarzt eben. Und als er gerade mitten in einer flammenden Rede für mehr Zeit für die Patienten steckt, und dass er in seiner Assistenzarztzeit ja gerne und völlig unentgeltlich schon früher zur Arbeit gekommen sei, öffnet unser immer zu spät kommender Radiologe Pédro mit einem entspannten und fröhlichen „Guten Morgen“ die Tür. Gerade will er seinen Rechner hochfahren, um die radiologischen Bilder zu besprechen, als alle anderen Neurologen schon aufstehen, denn schließlich wurden alle Patienten bereits besprochen.

Nun ja, wie gesagt, mir wurde die Lumbalpunktion versprochen, weshalb ich wohl als einzige gut gelaunt auf die Station gehe. Nur leider hält das dann auch nicht allzu lange an. Der Assistenzarzt meint, er muss noch ganz viele Arztbriefe schreiben und weiß gar nicht, ob er heute Zeit hat mir irgendetwas zu erklären. Ich soll doch erstmal Blut abnehmen. Ja, willkommen zurück in Deutschland, dem Land, in dem Ärzte ja anscheinend ohne Ende gebraucht werden, sich aber einfach niemand um den Nachwuchs kümmert. Nach zwei Stunden Blutabnahmen frage ich nochmal nach der großartig angekündigten Lumbalpunktion. Als Antwort kommt nur ein  „sorry, die habe ich schon schnell gemacht, es ist echt viel zu tun heute … aber die nächste darfst du dann machen, ganz bestimmt.“ Einigermaßen enttäuscht frage ich, ob ich noch etwas tun kann außer Blut abzunehmen, worauf dann nur ein „geh doch mal runter in die Notaufnahme“ kommt, „die haben immer etwas zu tun.“

Gesagt, getan, aber ich vermute schon, dass ich auch dort Blut abnehmen werde. Und so ist es auch. Die Neurologin in der Notaufnahme hat auch keine Zeit und ich glaube auch keine wirkliche Lust, mir etwas beizubringen oder zu zeigen. Aber durch geschicktes Verhandeln durfte ich heute dann doch noch meinen ersten Stich machen. Ich habe nämlich den Chirurgen gefragt, ob ich ihm irgendwie helfen kann. Und ja, das konnte ich! Er hatte einen Patienten, dem seine Kuh auf den Fuß getreten war (wie auch immer das nun wieder passiert ist, aber im ländlichen Westfalen kann so ziemlich alles passieren). Und ich durfte ihn nähen (es war „nur“ eine Riss-Quetschwunde, ohne dass irgendetwas gebrochen wäre, es blutete nur ziemlich stark). Und der Chirurg war, das bildete ich mir zumindest ein, schon ein bisschen beeindruckt, dass ich fortlaufend und gut nähen konnte! Und damit hatte ich dann doch noch mein Erfolgserlebnis am zweiten Tag im PJ, auch wenn es nicht das versprochene in der Neurologie war. :)

Fräulein Licht (25) studiert Medizin in Münster und hat Ende 2015 ihr Praktisches Jahr an der Klinik begonnen. Alle Blog-Inhalte beruhen auf den Erfahrungen der Bloggerin im PJ und geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Die Namen von eventuell vorkommenden Personen wurden geändert.

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