Physician Assistants – Die Neuen im Ärzteteam

Noch sind sie Exoten. Arztassistenten untersuchen, befunden, schreiben Arztbriefe, führen Patientengespräche. Sie entlasten die Ärzte, die diese Aufgaben an sie delegieren. Am Ortenau-Klinikum in Achern will man die „PAs“ nicht mehr missen.

Physician Assistant

Die Rolle der Physician Assistants: den Arzt unterstützen und entlasten, nicht aber ersetzen. | Miriam Dörr/Fotolia

Achern liegt in einem weiten grünen Tal am Fuß des nördlichen Schwarzwaldes. Vom Bahnhof aus kann man das Ortenau-Klinikum bequem zu Fuß erreichen. Das Wort „beschaulich“ kommt einem in den Sinn, während man durch die ruhigen Straßen läuft. Dabei ist das Projekt, auf das sich das Klinikum eingelassen hat, eher wagemutig und innovativ. Das 187-Betten-Haus gehört zu den Pionieren in Deutschland, die den neuen Beruf des Physician Assistant (PA) in ihr Ärzteteam integriert haben. Vanessa Schlenker (31) und Siân Droesch (34) arbeiten seit 2013 in der Inneren Abteilung des Klinikums, 2014 kam Claudia Thalheimer-Kunz (50) dazu. Sie sind drei von etwa 300 PAs, die es an deutschen Krankenhäusern gibt.

Abteilung 5 A: In den 21 Betten werden Patientinnen und Patienten betreut, die das gesamte internistische Krankheitsspektrum aufweisen. Verantwortlich für die Station ist ein Team aus Stationsarzt und PA. An diesem Vormittag sind das Dr. med. Basil Arda und Vanessa Schlenker. Arda ist im vierten Jahr seiner Facharztweiterbildung und stammt aus Israel: „Dort gibt es das Berufsbild des PA schon seit 30 Jahren. Als ich hierherkam, war ich total überrascht, dass es das in einem modernen Land wie Deutschland nicht gibt.“ Was schätzt er an den PA? Sie seien erfahren, gut ausgebildet, könnten Gespräche mit Patienten und Angehörigen führen, Untersuchungen vornehmen und Arztbriefe schreiben, zählt Arda Routinetätigkeiten von der Station auf. „Das ist für mich eine enorme Entlastung.“

„Mit einem PA hat die Station einen festen Ansprechpartner“, sagt Siân Droesch. „Dinge, die wir klären und regeln dürfen, erledigen wir selbstständig. Alles andere sprechen wir mit den Ärzten ab.“ Das entlaste nicht nur die ärztlichen Kollegen, sondern auch die Pflege. „Wenn die Ärzte in Weiterbildung zum Beispiel morgens von acht bis elf Uhr in der Endoskopie stehen, hat die Pflege auf Station mit uns einen Ansprechpartner, der auch Entscheidungen treffen kann.“ Das sieht auch Andreas Ganter so. „Die PAs ersparen uns viele Wege und Telefonate“, sagt der Pfleger. Es gebe jetzt einen Ansprechpartner mehr. Das sei ein Vorteil.

Doch was dürfen PAs, und wann überschreiten sie ihre Grenzen?

Treten sie nicht in Konkurrenz zu den Ärzten in Weiterbildung? Und weckt der „Arzt light“ womöglich Begehrlichkeiten bei sparwütigen Klinikgeschäftsführern? Über diese Fragen wird seit Einführung des ersten PA-Studiengangs im Jahr 2005 heftig gestritten. „Wir wissen, dass es viel Gegenwind gibt“, räumt Claudia Thalheimer-Kunz ein. „Aber wir stehen hinter unserem Beruf.“ Die 50-Jährige hat 26 Jahre lang als Krankenschwester gearbeitet, bevor sie sich im Jahr 2011 entschloss, an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe den Bachelorstudiengang zum PA zu absolvieren: immer abwechselnd drei Monate Theorie in Karlsruhe und drei Monate Praxis im Ortenau-Klinikum, drei Jahre lang. „Am Anfang wusste niemand so genau, was wir machen dürfen oder können“, ergänzt Vanessa Schlenker. „Inzwischen sind die Kompetenzen klar, und wir sind richtig gut ins Team hineingewachsen.“

Die Aufgaben sind anspruchsvoll. Unter anderem führen die PAs auf Anordnung des Arztes Ultraschalluntersuchungen durch, schreiben und befunden EKGs, interpretieren gemeinsam mit dem Arzt Röntgenbilder, legen intravenöse Zugänge oder wirken bei Pleura- und Aszitespunktionen mit. Dazu kommt das Verfassen von Arztbriefen oder die Mitarbeit in der Ambulanz. „Dort erheben wir die Anamnese, nehmen eine erste körperliche Untersuchung vor und machen einen Therapievorschlag“, sagt Thalheimer-Kunz. „Die Therapieentscheidung und -verantwortung liegt aber ganz klar beim Arzt.“ Der schaue sich die Patienten immer noch einmal an. „Es geht nicht darum, dass wir den Arzt ersetzen“, betont Siân Droesch. „Unsere Aufgabe ist es, sie zu unterstützen und zu entlasten.“ Die 34-Jährige ist wie Thalheimer-Kunz und Schlenker gelernte Krankenschwester. Sie hätte nach dem Abitur gerne Medizin studiert. Dafür reichte aber der Notendurchschnitt nicht. Heute trauert sie dem Arztberuf nicht mehr hinterher. „Mir macht mein Beruf als PA großen Spaß“, sagt sie. Dass die drei Frauen sich auf das Experiment PA eingelassen haben, lag an einem gewissen Ehrgeiz und dem Wunsch, sich weiterzuqualifizieren. Bei Thalheimer-Kunz kam die Unzufriedenheit mit dem Pflegeberuf dazu. Die Arbeitsbelastung sei dort so groß, dass kaum noch Zeit für die Patienten bleibe. Das sei jetzt wieder anders.

Keine Konkurrenz gegenüber Ärzten in der Weiterbildung

Den neuen Beruf hat im Ortenau-Klinikum Dr. med. Rüdiger Feik (55) etabliert, der seit 13 Jahren Chefarzt der Allgemeinen Inneren Abteilung ist. Was hat ihn angetrieben? „Wir haben mit einer wahnsinnigen Arbeitszeitverdichtung zu kämpfen“, sagt Feik. Die Ärzte seien enorm belastet, ohne dass sie die Möglichkeit hätten, in größerem Umfang Leistungen zu delegieren. Denn die Pflege komme dafür nicht infrage. „Die Pflegekräfte leisten gute Arbeit“, betont Feik. „Aber die Durchlässigkeit zwischen den Aufgabengebieten ist in beide Richtungen nicht sehr hoch.“ Eine zusätzliche Ebene, wie sie jetzt durch die PAs geschaffen wird, hat aus seiner Sicht gefehlt. „Es hat am Anfang furchtbare Ängste gegeben und viele Gespräche gebraucht, um Vorurteile abzubauen“, räumt Feik ein. Die Pflege habe Sorge gehabt, dass eine weitere Hierarchieebene eingezogen werde. „Dem kann man mit klaren Strukturen vorbeugen“, betont Feik. „Die PAs werden im Delegationsverfahren tätig und müssen sich in bestimmten Fällen rückversichern. Wir haben hier keinen kleinen Ersatzarzt geschaffen.“ Die PAs träten auch nicht in Konkurrenz zu den akademischen Pflegeberufen. Diese seien in der Regel in der Verwaltung, im Management oder in der Pflegewissenschaft tätig und nicht in der Patientenversorgung.

„Die PAs schließen hier eine Lücke“, erklärt Feik. Auch gegenüber den Ärzten in Weiterbildung kann er keine Konkurrenz erkennen. Im Gegenteil: Die Stationsärzte erhielten durch die Hilfe der PAs Freiräume für ihre Weiterbildung. Das Tätigkeitsprofil des PA ist nach Ansicht von Feik inzwischen recht klar umschrieben: „Invasive Untersuchungen zählen für mich zum Beispiel zur Kernkompetenz des Arztes, zumindest in der Inneren Medizin.“ Ein PA dürfe auch keine primäre Diagnose stellen. Ob nun aber die Anamnese ebenfalls zum Kernbereich ärztlicher Tätigkeit gehört, ist nach Ansicht von Feik Ermessenssache. Würden Patienten elektiv aufgenommen, halte er die Anamneseerhebung durch den PA für unproblematisch. Bei Notfallpatienten, die mit einer potenziell lebensbedrohlichen Erkrankung ins Krankenhaus kämen, gehöre die Anamnese dagegen in die Hand des Arztes.

Im Mai hat der Deutsche Ärztetag ein Konzept befürwortet, das Ausbildung und Tätigkeitsprofil des PA einheitlich definiert. Das kann nach Ansicht von Feik dabei helfen, Graubereiche, die es noch gibt, „besser auszuleuchten“. Das sei wichtig, damit sich der Beruf etablieren könne. Denn, wie Claudia Thalheimer-Kunz sagt: „Arbeit gibt es genug.“

PA – kein Arzt „light“

In Deutschland bieten fünf Hochschulen den Studiengang „Physician Assistant“ (PA) an. Studienvoraussetzung ist eine medizinische Berufsausbildung. Ein Wechsel ins Medizinstudium ist nicht möglich. Anfang 2017 einigten sich die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Deutsche Gesellschaft für Physician Assistants (www.pa-deutschland.de) und die Hochschulen auf einheitliche Ausbildungsinhalte. Die etwa 300 PAs in Deutschland gehören zum Ärzteteam und werden auf ärztliche Anordnung tätig.

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