Nachwuchsärzte: Die Jungen kommen

In der letzten Woche fand der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt statt. Bereits im Vorfeld diskutierten Ärztinnen und Ärzte über ihre beruflichen Erfahrungen und Erwartungen und benannten zielsicher Probleme. Dabei prallten die unterschiedlichen Ansichten der Generationen aufeinander.

Junge Ärzte

Prof. Dr. med. Jakob R. Izbicki: „Ein guter Chirurg zu sein ist nicht mit Familie vereinbar“ | iStock/Wavebreakmedia

Silberrückengorilla versus streitbare Newcomerin – da sind Konflikte programmiert. Der Plan ging auf: In der Tat krachte es ordentlich während des öffentlichen Streitgesprächs beim „Dialog mit jungen Ärztinnen und Ärzten“ im Vorfeld des 121. Deutschen Ärzte-tages (DÄT) in Erfurt. Mit Katharina Thiede, Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin in Berlin und Mitglied der Fraktion Gesundheit der Delegiertenversammlung der Ärztekammer Berlin, sowie Prof. Dr. med. Jakob R. Izbicki, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, stießen zwei Generationen mit ihren unterschiedlichen Ansichten von der Arbeits- und Lebenswelt aufeinander.

Aussagen von Izbicki wie „Ein guter Chirurg zu sein ist nicht mit Familie vereinbar“ versetzten den mit knapp 200 jungen Ärztinnen und Ärzten gefüllten Saal in Aufruhr und ließen die Rednerschlange am Mikrofon schnell anwachsen. Es entbrannte eine emotionale Diskussion, an der sich auch viele der zahlreich anwesenden Präsidenten der Lan­des­ärz­te­kam­mern beteiligten.

Miteinander statt gegeneinander

Mit der Veranstaltung wolle man den Austausch der Ärztekammern mit der jungen Ärztegeneration fördern, Perspektiven aufzeigen und gemeinsam berufspolitische Themen und Thesen diskutieren“, erklärte Dr. med. Ellen Lundershausen, Präsidentin der Ärztekammer Thüringen, Gastgeberin des diesjährigen DÄT und Moderatorin des interaktiven Dialogs, den die Bundes­ärzte­kammer und die Lan­des­ärz­te­kam­mer Thüringen gemeinsam organisiert hatten.

Ein erstes Symposium ähnlicher Art hatte es im Vorfeld des 119. DÄT vor zwei Jahren in Hamburg gegeben. „Wir brauchen den Kontakt in die jüngere Ärzteschaft. Denn wir haben in Deutschland über die Ärztekammern die einzigartige Möglichkeit, unseren Beruf mitzugestalten“, betonte Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundes­ärzte­kammer, in Erfurt. Um den Kontakt zu verstetigen, solle es jetzt jährlich einen Austausch mit jungen Ärztinnen und Ärzten anlässlich der Deutschen Ärztetage geben. Wünschenswert wären aber auch ähnliche Treffen auf regionaler Ebene.

Im Laufe der Diskussion zeigte sich: So sehr unterscheiden sich die Probleme der „Jungen“ in der täglichen Arbeitswelt gar nicht von denen der älteren Ärztegenerationen. Junge Ärztinnen und Ärzte starten in den Beruf häufig mit idealistischen Vorstellungen, die dann in der Praxis nicht standhalten und zu beruflicher Unzufriedenheit führen. „Nach dem langen Studium ist man einfach zu wenig Arzt“, brachte es Thiede auf den Punkt. Ökonomische Restriktionen und bürokratische Vorgaben ließen diesen zu wenig Zeit für die Versorgung der Patienten, die aus ökonomischen Erwägungen heraus entlassen oder in andere Einrichtungen des Gesundheitswesens „verschoben“ würden. „Man ist Teil der Drehtür. Das macht unzufrieden“, beklagte sie.

Mit Sorge verwies Thiede zudem auf die zunehmende Arbeitsverdichtung im Gesundheitssystem und die nach ihrer Ansicht bedenklichen Auswirkungen auf die Patientenversorgung und den Arztberuf. „Ärzte dürfen nicht zum Renditefaktor verkommen“, warnte die Ärztin. „Wir sind sind nicht die Generation ,Spaß‘. Wir engagieren uns – für die Patienten und unser Team, aber es muss sich einiges im Gesundheitswesen ändern.“ Neben einer zunehmenden Öko­nomi­sierung der Medizin seien zudem eine unstrukturierte Weiterbildung, starre Hierarchien sowie eine mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie Kritikpunkte der jungen Ärztegeneration, denen man sich widmen müsse, ergänzte Thiede.

Letzteres waren Punkte, die bei Izbicki, einem Vertreter der älteren Ärztegeneration, einem „Silberrückengorilla“ oder „Dinosaurier“, wie er sich selbst wahlweise nannte, auf Widerspruch stießen. „Ich bin ein klarer Befürworter von hierarchischen Strukturen“, betonte er. Gerade in der Chirurgie seien sie unersetzlich. Wenig hält der Chirurg auch von einer reduzierten Wochenarbeitszeit: „Ich hasse Fließbandmedizin“, sagte er. Wenn er einen Patienten operiere, wolle er diesen auch über die gesamte Zeit betreuen und nicht an einen Kollegen übergeben. „Stellen sich Komplikationen ein, muss man auch nachts wieder selbst in die Klinik – ich tue das und erwarte das auch von meinen Mitarbeitern.“

Dass eine solche Arbeitsweise nicht familienfreundlich ist, negierte Izbicki nicht. Im Gegenteil: „Man kann nicht ein exzellenter Arzt und gleichzeitig ein guter Vater oder eine gute Mutter sein“, provozierte er. Die Lösung für diese Problematik sei möglicherweise die Tätigkeit in Subspezialisierungen. Diese würde aber nach seinen Erfahrungen von vielen Nachwuchsärzten abgelehnt. „Sie müssen selbst entscheiden, was sie für ihre Zufriedenheit brauchen.“

"Wir wünschen uns eine verbesserte Weiterbildungskultur" 

Darüber, wie sich die Berufszufriedenheit nachhaltig verbessern lässt, diskutierten am Nachmittag zwei weitere Nachwuchsärzte. Florian Vollrath, Arzt in chirurgischer Weiterbildung am Helios Park-Klinikum Leipzig, berichtete von der Initiative der Arbeitsgemeinschaft „Zukunft in der Chirurgie“ bei dem Konzern: „Wir wollen optimale Arbeitsbedingungen, um den Ansprüchen der Hochleistungsmedizin gerecht zu werden“, sagte er. Mehr als die Hälfte der durch die Arbeitsgemeinschaft befragten Assistenzärzte hätten noch immer keine strukturierte Weiterbildung. „Wir wünschen uns eine verbesserte Weiterbildungskultur auf allen Ebenen“, betonte er. Insbesondere nötig seien eine bessere Ausbildung im OP, verlässliche Assistentenrotationen, Mentorenprogramme sowie flexible Arbeitszeiten. „Wir drücken uns nicht, sondern wir trauen uns, Altes zu hinterfragen“, betonte Vollrath.

Nicht nur bei Klinikkonzernen, sondern generell sei das Gesundheitswesen momentan hauptsächlich von Gewinnmaximierung getrieben, konstatierte Dr. med. Leonor Heinz. „Damit identifizieren wir uns nicht“, erklärte die Ärztin in Weiterbildung Allgemeinmedizin in Berlin und Sprecherin des Forums Weiterbildung im Deutschen Hausärzteverband. „Wir wollen Verantwortung übernehmen, aber das Gesundheitswesen treibt uns in die Verzweiflung.“

Dabei nahm Heinz auch auf die Bedingungen in der ambulanten Versorgung Bezug. Hier verursache der ökonomische Druck Ängste vor einer eigenen Niederlassung. Dieser führe zu der zunehmenden Berufsunzufriedenheit und auch zu einer Lustlosigkeit, sich berufspolitisch zu engagieren. Wie Nachwuchsärzte zu mehr Berufszufriedenheit gelangen könnten – sowohl im stationären wie im ambulanten Bereich – ist für sie klar: „Der Schlüssel liegt in der Identifikation mit unserer guten Arbeit.“

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