In den letzten Jahren ist das Stimmungsbild in der Öffentlichkeit über eine chirurgische Berufskarriere vor allem geprägt durch geringe Attraktivität und fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In der Tat gilt die Chirurgie traditionell eher als ein sehr arbeitsintensives, hierarchisch strukturiertes und familienunfreundliches Fachgebiet. Das hat dazu geführt, dass die Bereitschaft junger Kollegen, sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen für das Fach Chirurgie zu entscheiden, weit unter dem Versorgungsbedarf liegt. Darüber hinaus gestalten sich die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen durch ein immer noch männlich geprägtes Image der Chirurgie als schwierig.
Dabei ist die Chirurgie, unserer Meinung nach, mehr denn je eine Königsdisziplin der Medizin. Daher ist es unsere Pflicht, dem medizinischen Nachwuchs dieses Fach als ein perspektivenreiches und lebenswertes Berufsziel realistisch nahezubringen. Hilfreich ist hierbei sicherlich, dass in den letzten Jahren auch in den chirurgischen Kliniken dazu gelernt wurde und zum Teil strukturierte Weiterbildungsprogramme, Mentorensysteme oder regelmäßige Feedback-Gespräche eingeführt wurden. Auch die Krankenhausverwaltungen haben Verbesserungsmöglichkeiten in den chirurgischen Kliniken erkannt und z. B. durch die Mitfinanzierung der Weiterbildung oder die Etablierung von familienfreundlichen Angeboten Maßnahmen ergriffen, die als Imagefaktoren im Wettbewerb um die besten ärztlichen Kollegen anzusehen sind.
Denn die Karrierewege in der Chirurgie bieten heute deutlich mehr Wahlfreiheit als alle chirurgischen Generationen vorher hatten. Neben der klassischen „Krankenhaus-Karriere“, gibt es z. B. eine Vielzahl von Optionen im ambulanten chirurgischen Bereich, sei es die Einzelpraxis, die Praxis- bzw. Berufsausübungsgemeinschaft oder die angestellte Tätigkeit in einem medizinischen Versorgungszentrum. Die interdisziplinäre Verzahnung der verschiedenen medizinischen Bereiche ist gerade in der Chirurgie gut möglich. Als Beispiele seien die Kinderchirurgie, die Viszeralchirurgie und Herz- und Thoraxchirurgie genannt. Zwar ist Karriere häufig nicht planbar, jedoch möchten wir im Folgenden einige Karrierewege in der Chirurgie aufzeigen.
Weiterbildungsordnung
Wenn man sich mit Karrierewegen in der Chirurgie beschäftigt, sollte man sich zunächst noch einmal die von den Ärztekammern vorgegebene aktuelle Weiterbildungsordnung anschauen. Dabei beginnt der Weiterzubildende mit dem zweijährigen Common Trunk, der von allen teilnehmenden chirurgischen Fachrichtungen gefordert wird. Hierbei sollen die grundlegenden chirurgischen Fähigkeiten auf der Station, in der Ambulanz, auf der Intensivstation sowie im OP erlernt werden. Nach diesem zweijährigen Common Trunk schließt sich eine Spezialisierung in einer der acht chirurgischen Säulen an (Abb. 1). Darüber hinaus kann in dieser Zeit für ein Jahr eine sogenannte assoziierte Disziplin (z. B. die Gastroenterologie beim Facharzt für Viszeralchirurgie) anerkannt werden. Nach mindestens sechs Jahren Weiterbildung endet dann der jeweilige Facharzt mit der Facharztprüfung.
Klinische Karriere
Möchte man als Chirurg vor allem eine klinisch-chirurgische Karriere verfolgen, kann dies heutzutage sowohl in Krankenhäusern der Grund-, Regel- und Schwerpunktversorgung bzw. Universitätsklinken oder auch großen Praxen auf hohem Niveau erfolgen. Eine Vielzahl von Kliniken haben in den letzten Jahren Weiterbildungscurricula etabliert, die vor allem durch ein Rotationsprinzip in den verschiedenen Funktionsbereichen eine breite chirurgische Weiterbildung ermöglichen. Unserer Meinung nach, sollte im Rahmen einer breiten klinischen Weiterbildung auch der Wechsel zwischen unterschiedlichen Weiterbildungsstätten erwogen werden, um möglichst vielfältige Einblicke zu erhalten. Als langfristiges Berufsziel mit einer solchen klinisch-fundierten Weiterbildung stehen eine Vielzahl von Möglichkeiten offen. So ist eine Positionen in einem Krankenhaus der Grund-, Regel- oder Schwerpunktversorgung ebenso denkbar, wie eine herausfordernde Position im ambulant chirurgischen Bereich.
Klinisch-wissenschaftliche Karriere
Möchte man eher eine klinisch-wissenschaftliche Karriere einschlagen, so bieten natürlich vor allem die Universitätskliniken die besten Voraussetzungen für den akademischen Karriereweg. Hier sollte bereits in frühen Weiterbildungsjahren durch erste experimentelle/klinische Projekte die Basis für eine wissenschaftliche Karriere gelegt werden, die als Ziel die Habilitation beinhalten sollte. Hierbei sollten Möglichkeiten der Forschungsfreistellungen in der eigenen Klinik oder Forschungsaufenthalte im Ausland (z. B. durch ein Drittmittel-gefördertes Projekt) in Erwägung gezogen werden. Während dieser wissenschaftlichen Bestrebungen darf, unserer Meinung nach, die klinische Weiterbildung in keiner Weise vernachlässigt werden. Denn zum einen kann das Interesse an einer wissenschaftlichen Karriere schwinden oder der Erfolg ausbleiben und zum anderen definiert sich gerade die akademische Karriere aus der Kombination von Klinik und Wissenschaft. Entsprechend steht der Erwerb des chirurgischen Facharztes mit einer fundierten klinischen Weiterbildung neben der wissenschaftlichen Karriere im Vordergrund. Schließlich besteht an akademischen Lehrkrankenhäusern sowie Universitätskliniken die Möglichkeit bzw. Verpflichtung sich an der studentischen Lehre zu beteiligen, was in einigen Fällen auch in eine langfristige Schlüsselposition, wie z. B. als Leiter der chirurgischen Lehre, münden kann.