Junge Ärzte fordern Augenhöhe mit dem Klinikmanagement

Optimistisch und engagiert diskutierten junge Ärztinnen und Ärzte im Vor­feld des 122. Deutschen Ärztetages in Münster ihre beruflichen Erfahrungen und ihre Erwartungen an die Tätigkeit im Krankenhaus und in der Niederlassung.

„Wir brauchen mehr Ökonomie im Studium und in der Weiterbildung“, lautete eine der Forderungen von Medizinstudenten und jungen Ärzten im Hinblick auf ihre Ausbildung. | Africa Studio - stock.adobe.com

Bei der von der Bundes­ärzte­kammer gemeinsam mit dem Arbeitskreis „Junge Ärz­tin­nen und Ärzte“ der Ärztekammer Westfalen-Lippe organisierten Dialogveranstaltung „Die Versorgung von morgen – wie wollen die nächsten Generationen die Patienten­versorgung sicherstellen“ zeigte sich: Viele Nachwuchsärzte fühlen sich von ökonomi­schen Vorgaben im Kranken­haus erdrückt, sehen die Freiberuflichkeit des Arztberufes in Gefahr und fordern eine Ausbildung, die sie auf „Augenhöhe“ mit Krankenhaus­managern bringt. Von der Politik forderten sie einen Ausbau der Infrastruktur in ländlichen Regionen und eine zügigere Digitalisierung.

Bei vielen Ärztekammer laufen sie mit ihren Visionen von einer künftigen Patienten­versorgung offene Türen ein: Deutsche Ärztetage hätten auch eine „Aufräumfunktion“ sagte Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Die Selbst­verwaltung könne viel ändern, deshalb sei es notwendig, in den Dialog mit den jünge­ren Kolleginnen und Kollegen zu treten. „Leider haben wir schon Jahre vergehen lassen. Aber wir brauchen Sie und Ihre Visionen und Wünsche!“, rief er den mehr als 200 Teilnehmern der Dialogveranstaltung im überfüllten Grünen Saal der Halle Münsterland zu.

Montgomery betont Sprachlosigkeit zwischen Ärzten und Ökonomen

Ein solcher Dialog mit Nachwuchsärzten fand mittlerweile zum vierten Mal im Vorfeld eines Deutschen Ärztetages statt – mit stetig wachsender Beteiligung, wie der Präsident der Bundes­ärzte­kammer, Frank Ulrich Montgomery, betonte. Dies zeige, dass die Ärztekammern lebten. Für Montgomery war die Diskussion, die sich im ersten Teil der Kommerzialisierung widmete, zudem symptomatisch für die „Sprachlosigkeit zwischen Ärzten und Öko­nomen“. „Wir verstehen die Probleme des Anderen nicht“, analysierte er. Wichtig sei es, zwischen Ökonomie und Kommerzialisierung zu unterscheiden. „Auch wir Ärzte müssen uns sparsam und wirtschaftlich verhalten.“ Problematisch sei jedoch eine Kommerzialisierung.

Häufig berichteten Ärztinnen und Ärzte von einem wachsenden Druck aufgrund von zunehmender Kommerzialisierung des Systems, sagte Pedram Emami, Präsident der Ärztekammer Hamburg und Moderator der Dialogveranstaltung. Viele wollten dies nicht länger akzeptieren. Dies bestätigte Inna Agula-Fleischer, Fachärztin für Chirurgie und Vorsitzende des Arbeitskreises „Junge Ärztinnen und Ärzte“ der Ärztekammer Westfalen-Lippe. „Ich sehe meine Freiberuflichkeit in Gefahr“, betonte sie. „Wir müssen endlich handeln.“

„Die Ärzteschaft scheint etwas verpasst zu haben“, meinte auch Jana Aulenkamp, Medizinstudierende im Praktischen Jahr und ehemalige Präsidentin der Bundes­ver­tretung der Medizinstudierenden (bvmd). „Wir brauchen mehr Ökonomie im Studium und in der Weiterbildung“, forderte sie.

Langfristige, am Patienten orientierte Lösungen

Gleichzeitig müssten aber auch die Strukturen verändert werden. Beispielsweise müsste das jetzige System der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) überar­beitet wer­den. Schon im Medizinstudium erlebe man, wie die ökonomischen Rahmenbe­dingungen die Versorgung beein­flussten. „Wir müssen langfristige Lösungen für eine patienten­orientierte Versorgung finden und offen sein, die Dinge neu zu denken“, betonte die Medizinstudentin.

In der Tat hätte das DRG-System Webfehler, räumte Thorsten Kehe, Internist und Vorsitzender der Geschäftsführung der Märkischen Gesundheitsholding, ein. „Ich versuche deshalb, an der Klinik Transparenz zu schaffen und die Mitarbeiter zu motivieren.“

Junge Ärzte

In der letzten Woche fand der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt statt. Bereits im Vorfeld diskutierten Ärztinnen und Ärzte über ihre beruflichen Erfahrungen und Erwartungen und benannten zielsicher Probleme. Dabei prallten die unterschiedlichen Ansichten der Generationen aufeinander.

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Warum dies jedoch häufig schwierig ist, erläuterte Helmut Laschet, Diplom-Volkswirt und freier Medizinjournalist: „An den Krankenhäusern herrscht seit Jahren ein Inves­titionsstau. Das Management muss deshalb das Krankenhaus auf Rille fahren. Der Arzt gerät dabei in eine Sandwichposition.“

Auch Kehe nimmt die Kluft zwischen Managern und Ärzten deutlich wahr. „Auf ärzt­licher Seite fehlt es an Professionalität bezüglich Ökonomie und Personalführung“, sagte er. Hier sei auch die Ärzteschaft gefragt.

Von ähnlichen Erfahrungen berichtete Anne Wichels-Schnieber, Ärztin und Personal­beraterin bei Russell Reynolds Associates. Viele Ärzte hätten gar keine Ambitionen, in der Geschäftsführung eines Krankenhauses zu arbeiten. „Ich würde gern mehr Ärzte vermitteln“, sagte sie. „Im Arztsein verstecken sich viele Berufe.“ Ein Krankenhausarzt mit Kenntnissen im Prozessmanagement wäre sehr gefragt.

Ökonomische Kenntnisse in der Praxis vorteilhaft, aber nicht zwingend

Mehr Fortbildung im Bereich Ökonomie wünschen sich offensichtlich viele junge Ärzte, wie sich im Laufe der zweiten Diskussionsrunde zum Thema „Niederlassung“ zeigte. Die meisten fühlen sich auch auf eine künftige Niederlassung wenig vorbereitet.

„Mit der Arbeit in einer Praxis habe ich während der Weiterbildung im Rahmen einer Praxis­vertretung Erfahrung gemacht“, berichtete Eva-Maria Ebner, niedergelassene Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. „In der Niederlassung muss man sich schon mit Ökonomie befassen. Aber man braucht auch keine Angst davor haben.“ Selbst Regresse ließen sich gut abwehren.

Nach den fünf Jahren ihrer Niederlassung sei die Angst vor dem Risiko komplett weg und die Berufszufriedenheit sehr hoch. „Ich würde immer wieder auf dem Land in einer Einzelpraxis arbeiten wollen“, sagte Ebner und beruhigte damit viele junge Kolle­ginnen und Kollegen, die sich in die Diskussion in dieser Runde eingeschaltet hatten.

Sie hatten unter anderem auf das jüngste Berufsmonitoring bei Medizinstudierenden verwiesen, das die Universität Trier im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereini­gung (KBV) und in Kooperation mit dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) und der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) vorgenommen hatte.

Auslaufmodell Einzelpraxis?

Danach gab 2018 die Hälfte der Studierenden an, gern in eigener Praxis tätig zu werden. Die Einzelpraxis wurde von vielen dabei als ein Auslaufmodell bezeichnet, während die Tendenz eher zur Gemeinschaftspraxis und zur Teamarbeit mit anderen Ärzten ging. Als Gründe gegen eine Niederlassung nannten sie vor allem die hohe Bürokratie, das hohe finanzielle Risiko, drohende Regressforderungen sowie ein geringer fachlicher Austausch im ambulanten Bereich.

Viele der genannten Sorgen seien unbegründet, sagte Max Tischler, Arzt in Weiter­bildung im Gebiet Dermatologie und stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises „Junge Ärztinnen und Ärzte“ der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Dabei verwies er auf verschiedene Angebote und Initiativen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), beispielsweise der Initiative „Praxisstart“ der KV Westfalen-Lippe. Tischler hat bereits beschlossen, sich nach der Facharztanerkennung niederzulassen. Für ihn sei es – wie für viele andere – eine „Flucht“ aus dem Krankenhaus.

Für eine angestellte Tätigkeit im Krankenhaus plädierte hingegen Aline Tiegelkamp, Ärztin in Weiterbildung im Gebiet Chirurgie. „Ich arbeite gern im Krankenhaus“, sagte die junge Ärztin und Mutter. Auch eine Teilzeitarbeit sei gut möglich, selbst aus dem OP werde sie ausgelöst.

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