Interview: Das Mastertrainer-Konzept für eine transparente und realitätsnahe ärztliche Ausbildung

Je besser die Weiterbildung, desto besser der Arzt – so weit, so verständlich. Prof. Dr. Michael Denkinger ist einer der Initiatoren des Mastertrainer-Konzepts und erzählt im Interview, wo aktuell Schwachstellen in der Weiterbildung liegen und was optimiert werden kann.

Prof. Denkinger

"Mit dem Mastertrainer-Konzept können Kompetenzen klar und nachvollziehbar überprüft werden" Prof. Dr. Michael Denkinger

In Deutschland wird die Weiterbildung junger Ärzte durch die Weiterbildungsordnung qualitativ gesichert. Doch ergaben zahlreiche Umfragen in den letzten Jahren, dass diese Weiterbildungsordnung verschiedenste Schwachstellen aufweist, wie z.B. eine mangelnde Arbeit mit Logbüchern oder unklare Rotationspläne.

Um die Qualität der Weiterbildung direkt an den Kliniken zu verbessern, wurde 2013 von Prof. Dr. Marcus Siebold, Dr. med. Jörg Ansorg und Prof. Dr. Michael Denkinger das Mastertrainerprogramm initiiert. Kern des Konzepts ist es, den Weiterbildungsbefugten das Know-how zu vermitteln, wie man gute Weiterbildung strukturieren und durchführen kann. Gleichzeitig werden sie selbst zu Mastertrainern ausgebildet, die das Programm ihrerseits an ihren Kliniken oder in eigenen Kursen weitervermitteln können. Bisher sind in den zweitätigen Kursen ungefähr 90 Mastertrainer ausgebildet worden. Zweimal im Jahr finden zusätzlich Supervisionen statt, die den ausgebildeten Mastertrainern dabei helfen, das Gelernte anzuwenden und zu konsolidieren. Bisher beteiligen sich der Berufsverband der Deutschen Internisten, der Berufsverband der Deutschen Chirurgen, der Berufsverband der Unfallchirurgen und der Berufsverband der Chirurgen Österreichs an dem Projekt. Um es auch anderen Berufsverbänden zu ermöglichen, dieses Konzept zu nutzen, befindet sich aktuell das «Bündnis für Qualität in der Facharztweiterbildung» in der Gründungsphase.

Was sind die Schwachstellen der ärztlichen Weiterbildung? ­Was ist das größte Problem?

Denkinger: Zuerst einmal muss man sagen: Es ist nicht alles schlecht. Wir haben in Deutschland ein sehr offenes System, das – zumindest theoretisch – auch klar kriteriengeleitet ist. Allerdings haben wir ein Pro­blem mit der Umsetzung und mit der Steuerung der Umsetzung vor Ort. Ein weiteres Problem ist die Überprüfung der vermittelten Inhalte: Wir prüfen dies anhand von Zahlen und absolvierten Zeiten über Logbücher und Zeugnisse, die von den Weiterbildungsermächtigten ausgefüllt werden. Umfragen zeigen aber, dass die Logbücher nicht immer gut geführt sind und dass es außerdem Probleme damit gibt, auf die geforderten Mindestzahlen zu kommen. Zudem fehlt eine Leistungsreflexion, wo regelmäßig systematisch hinterfragt wird, was gut und was schlecht läuft. An diesen Punkten setzen wir mit dem Mastertrainerprojekt an.

Kann die Novellierung der Musterweiterbildungsordnung einen grundsätzlichen Fortschritt bringen?

Die Novellierung der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) wird einen Fortschritt bringen, denn sie ist eher darauf ausgelegt, Kompetenzen zu vermitteln und nicht unbedingt Zeiten und Zahlen zu definieren. Wenn aber diese Kompetenzen nicht konsequent überprüft werden, wird es wieder problematisch. Dann sind Zeiten und Zahlen vielleicht doch eine bessere Überprüfung als eine nicht genau überprüfbare Kompetenz im Rahmen der 30-minütigen Facharztprüfung, an der zumindest in nächster Zeit nicht gerüttelt werden soll. Und bei 6 Jahren Weiterbildung ist es natürlich nicht möglich, den Kandidaten in diesem Zeitrahmen auf Herz und Nieren zu prüfen. Wir wollen alle gut qualifizierte Fachärzte, überprüfen das aber auch nach der Einführung der neuen MWBO lediglich über die Logbücher und die Facharztprüfung. So wird es im Zweifel sogar noch schwieriger werden, darzustellen, was die Leute in den Häusern wirklich geleistet haben.

Wo oder wie kann man am ehesten eine Verbesserung der Weiterbildung erreichen?

Ich glaube natürlich, dass das am ehesten mit der Struktur aus unserem Projekt geht. Das Projekt besteht im Grunde aus 4 wesentlichen Teilen. Der erste ist das Kerncurriculum. Hier wird klar definiert, was dem Assistenten zu welchem Zeitpunkt der Weiterbildung beigebracht werden soll. Damit wird die Weiterbildung nicht nur zeitlich klar strukturiert, sondern auch inhaltlich. Man kann so auch abschätzen, welche Dinge nicht innerhalb der Klinik zu schaffen sind. Wenn z.B. klar wird, dass der Weiterbildungsassistent nicht genügend Sonographien in seiner Klinik machen kann, kann man über andere Strategien nachdenken, beispielsweise eine Hospita­tion oder einen Kurs. Mit dem Kerncurriculum ist es dann auch nicht so dramatisch, wenn die Gesamtzahl der gemachten Sonographien nicht ganz der geforderten Anzahl entspricht. Was der Assistent nachweislich leisten kann, wird ihm als Kompetenz im Kerncurriculum und im Logbuch bescheinigt. Zusätzlich kann man durch das Kerncurriculum auch die Weiterbildung mit dem QM-System verknüpfen. Bisher läuft beides parallel, was keinen Sinn ergibt, denn Arbeits- und Verfahrensanweisungen gehören zu dem, was ein Arzt kennen und können muss. Daran schließt der zweite wichtige Teil des Mastertrainerkonzepts an: die Soft Skills, die ein Arzt haben muss, wie Empathie, Verständnis des Gesundheitssystems, Teamfähig­keit usw. Diese personellen ärztlichen Schlüsselkompetenzen orientieren sich an den ACGME-­Kriterien (Accrediation Council for Graduate Medical Education) und sind ebenfalls Teil des Kerncurriculums.

An die Überprüfung der Kompetenzen schließt der nächste wesentliche Teil an: die Lernstandsrückmeldung; sie gehört integral zu den jährlichen Weiterbildungsgesprächen, die es schon gibt. Entscheidender Punkt im Mastertrainersystem ist jedoch, dass diese Rückmeldung klar kriteriengeleitet ist. Hier werden die Punkte aus dem ACGME-Kriterien und dem Kerncurriculum zusammengeführt und anhand einer 5-Punkte-­Skala abgefragt. Hinzu kommt, dass bei diesen Rückmeldungen nicht nur die Fremd­einschätzung des Weiterbilders gefragt ist, sondern auch die Eigeneinschätzung des Assistenten. Im Vergleich der beiden Ein­schätzungen kann man dann gut sehen, wo es Differenzen gibt und wo der Assistent vielleicht noch einmal nachfassen muss – aber auch wo in der Weiterbildung selbst vielleicht etwas geändert oder ergänzt werden sollte.

Wer möchte, kann bei verschiedenen, gut operationalisierbaren Punkten, wie etwa der Sonographie, operativen Eingriffen etc. diese aktiv in Testaten überprüfen, die den vierten Hauptpunkt des Mastertrainersystems bilden. Die Prüfung kann innerhalb von wenigen Minuten während einer regulär anstehenden Untersuchung erfolgen, sollte sich aber auf wenige Punkte im Kerncurriculum beschränken und angekündigt werden. Für solche Testate gibt es dann auch Kriterienraster, anhand derer die Leistung klar bewertet werden kann und womit auch klar nachvollzogen werden kann, was der Assistent gut gemacht hat oder an welchen Stellen er noch etwas verbessern muss – ohne pauschales «gut» oder «schlecht». Genau das ist die Besonderheit des Mastertrainersystems: Es strukturiert die Weiterbildung und liefert eine Kriterienliste, mit der Kompetenzen klar und nachvollziehbar überprüft werden können. An der gesamten Weiterbildung selbst ändert es maximal 20%, da das meiste auf bereits Vorhandenem aufbaut.

Die Hauptschwierigkeit dieses Systems liegt allerdings in der Umsetzung und der Nachhaltigkeit. Es ist Projektmanagement gefragt, und man muss Zeit investieren – für die Lernrückstandsmeldungen, die Testate usw. Aber ich glaube, das ist dennoch ein überschaubarer Aufwand und letztlich gute Zeitinvestition.

Wie sehen die nächsten Schritte der Initiative aus?

Der nächste Schritt ist, dass die Mastertrainer selbst anfangen, solche Veranstaltungen anzubieten und ihrerseits das Ganze weitertragen. Prof. Siebolds (Gesundheitsökonom, Katholische Hochschule NRW in Köln) hat dafür eine Art Konzeptpapier mit Beispieldramaturgien zusammengestellt, sodass die Trainer eine Schulung auch selbst veranstalten können. Es gibt unter den Mastertrainern einige Motivierte, die das machen möchten, das sind natürlich die, die das System auch in ihren Kliniken entsprechend umgesetzt haben. Ein paar andere tun sich da schwerer. Um dieses «Schneeballsystem» zu erreichen, sind wir auch dabei, das «Bündnis für Qualität in der Facharztweiterbildung» zu gründen, um eine Plattform zu bieten und «dranbleiben» zu können.

Wäre es sinnvoll, wenn das Programm irgendwann auch «offiziell» in die Weiterbildungsordnung eingegliedert wird?

Ja, einige Ärztekammern haben auch Interesse bekundet. Beispielsweise könnte man jedem, der eine Weiterbildungsermächtigung beantragt, einen Tageskurs zu unserem Mastertrainersystem an die Hand geben, wofür wir aber mehr Mastertrainer benötigen würden. Möglich wäre auch, dass die Kammern das selbst mitgestalten. Wenn sie das zusammen mit den Berufsverbänden übernehmen würden, würde das Projekt sicherlich an Fahrt gewinnen. Aber auch das Einbinden weiterer Berufsverbände in unser neues Bündnis würde helfen – Sie sind herzlich eingeladen!

Vielen Dank für das Interview!

Kontaktadresse: Prof. Dr. med. Michael Denkinger, Mitglied des Vorstandes im Berufsverband Deutscher Internisten e.V., Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden und AGAPLESION Bethesda Klinik, Geriatrie der Universität Ulm, Geriatrisches Zentrum Ulm/Alb-Donau, Zollernring 26, 89073 Ulm, Deutschland, info@bdi.de (Stichwort «Mastertrainer Weiterbildung»)

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KARGER KOMPASS PNEUMOLOGIE stellt den «PneumoCampus» vor – eine Rubrik, die dezidiert den Belangen junger Fachärzte und Weiterbildungsassistenten gewidmet ist. Sie gibt der jungen Ärzteschaft eine Plattform, um ihre Anliegen zu formulieren, aber auch um Wissen zu vermitteln und Hilfestellung in beruflichem und wissenschaftlichem Kontext zu geben: Zu Wort kommen die Jungmediziner in fachspezifischen Darstellungen, berufspolitischen Auseinandersetzungen sowie mit aktuellen Projektvorstellungen.

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