Interview mit Prof. Dr. Götz Geldner (Foto unten), Präsident des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten e. V. (BDA) und Prof. Dr. Grietje Beck (Foto Mitte), Direktorin der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie der Dr. Horst-Schmidt-Kliniken.
Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit: Was hat Sie persönlich dazu bewogen, sich für die Facharzt-Ausbildung und diesen Beruf zu entscheiden?
Geldner: Ich habe früh gemerkt, dass sich hinter diesem Fachgebiet weit mehr verbirgt, als „nur“ die Narkose. Wenn man erst einmal in das Fach der Anästhesiologie reingeschnuppert hat, gibt es kein Entkommen mehr. Kein Fach ist so vielseitig und spannend: Ob im OP, auf der Intensivstation, bei der Schmerztherapie oder im "Außendienst" als Notarzt – kein Tag ist wie der andere, kein Patient passt in eine Schublade.
Beck: Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, Anästhesistin zu werden. Ich habe die Anästhesie damals im PJ gewählt, um einen Einblick in die Intensiv- und Notfallmedizin zu bekommen. Ich habe gesehen, wie vielfältig die Anästhesie ist, und erlebt, dass in vielen Krankenhäusern tolle Teams auf hohem medizinischem Niveau zusammenarbeiten. Später habe ich eine Familie gegründet. Auch hierzu passte der Beruf ideal, weil ich u.a. Teilzeit arbeiten konnte. So habe ich die Liebe zur Anästhesie Schritt für Schritt gewonnen und bin dem Fach treu geblieben.
Welche Eigenschaften und Qualitäten muss ein guter Anästhesist mitbringen?
Beck: Ganz wichtig ist das Interesse für den Patienten als Ganzes – von seiner medizinischen Vorgeschichte bis hin zu seinen Ängsten und Bedürfnissen. Auch Teamfähigkeit ist eine ganz wichtige Qualität, die Anästhesisten mitbringen sollten. Kollegialer Umgang mit den eigenen Kollegen und Pflegeteams wie auch mit den Chirurgen oder den OP- und Intensivpflegekräften steht im Zentrum des Berufsfeldes. Eitelkeit ist fehl am Platz, Anästhesie ist in gewisser Weise auch ein Dienstleistungsfach. Wir ermöglichen, dass die Operateure in Ruhe und auf hohem Niveau arbeiten können. Ein guter Anästhesist sollte außerdem in Notfallsituationen entscheidungsfreudig und belastbar sein. Im Klinikeinsatz gehören nicht nur Bereitschafts- und Nachtdienste dazu, sondern auch teils psychisch belastende Situationen, mit denen man umgehen können sollte.
Was macht das Berufsbild gerade für Frauen attraktiv?
Beck: Es ist ein Fach, in dem man die viel zitierte Work-Life-Balance leben kann. Der Tagesablauf ist gut planbar, Arbeit in Teilzeit ist ebenfalls möglich. Die Arbeitsbelastung in einer Klinik ist jedoch relativ hoch. Es besteht aber auch die Möglichkeit, niedergelassen oder ambulant tätig zu sein. Nach Pausen, z.B. nach einer Schwangerschaft, ist es möglich, problemlos wieder einzusteigen oder weiterhin in Teilzeit zu arbeiten. Hinzu kommt, dass gerade Frauen die kommunikativen Fähigkeiten, die in unserem Beruf gefordert sind, mitbringen.
Anästhesist wird häufig mit „Narkose-Arzt“ übersetzt. Wie sehr stört Sie das?
Geldner: Es stört mich sehr, wenn z.B.in einem Krankenhaus vor der Abteilung „Narkose-Arzt“ auf einem Schild steht statt „Abteilung für Anästhesie“. Zum Glück setzt sich immer mehr der Begriff Anästhesist durch, eben weil wir nicht nur Narkose machen, sondern weil Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie genauso zu unserem Beruf gehören. Oft ist unbekannt, dass viele Anästhesisten als Palliativmediziner oder OP-Manager arbeiten. Und der Notarzt, der zu vielen Patienten kommt, ist häufig auch Anästhesist.
Hand aufs Herz: Was unterscheidet den Berufsverband Deutscher Anästhesisten von anderen medizinischen Berufsverbänden? Haben Sie mit dem verstaubten Berufsverbands-Image zu kämpfen?
Geldner: Der BDA arbeitet sehr eng mit anderen anästhesiologischen Institutionen, wie bspw. der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin oder der Stiftung Deutsche Anästhesiologie zusammen. Unser gemeinsames Ziel ist es, wichtige anästhesiologische und gesellschaftliche Themen in der Öffentlichkeit zu besetzen und aktiv voranzubringen. Beispielsweise haben wir gemeinsam die Kampagne „Ein Leben retten. 100 Pro Reanimation“ ins Leben gerufen: Wir kämpfen dafür, die Ersthelferquote in Deutschland zu erhöhen. Und erhalten dabei Unterstützung von unseren tollen Verbandsmitgliedern: Sie schulten auf zahlreichen Veranstaltungen über 200.000 Menschen in Reanimation. Ich denke, das verstaubte Verbandsimage trifft bei uns in keinster Weise zu!