Ich kam, sah und bloggte – Aus dem völlig verrückten Leben eines (Not)arztes.

Exklusiv bloggt der Spiegel-Bestsellerautor Falk Stirkat für Operation Karriere. Er erzählt über seinen spannenden Alltag als Notarzt und riskiert einen Blick in die chirurgischen Praktiken vergangener Zeiten. Heute: Wie man als Notarzt Gewissensentscheidungen treffen muss, erschienen in: Ich kam, sah und intubierte.

Hier bloggt Falk Stirkat

Richtig begriffen, was es für die Rettungscrew sowie den Notarzt bedeuten kann, wenn auf die Wünsche des Patienten eingegangen wird, habe ich vor ungefähr einem Jahr in einem kleinen Ort in Süddeutschland.

Der Dienst begann recht ruhig. Weil Weihnachten vor der Tür stand, erwartete ich auch nicht besonders viel Arbeit, denn interessanterweise nimmt das Einsatzaufkommen meiner Erfahrung nach in den letzten Wochen vor dem Fest immer mehr ab. Woran das liegt, konnte ich noch nicht so richtig herausfinden. Vielleicht hatte ich bisher auch einfach Glück.

Wir wurden an diesem Montag kurz vor Weihnachten in eine Tagesbetreuungsstätte für Senioren gerufen. Dort sei ein Patient kollabiert. Die Anfahrt war nicht besonders weit, und so dauerte es lediglich ein paar Minuten, bis wir mit Sack und Pack im Aufenthaltsraum der Einrichtung standen.

Nach unserem Patienten mussten wir nicht lange suchen. Der Mann lag, umgeben von mehreren Menschen, die seine Betreuer sein mussten, auf dem Boden und sah nicht sehr gesund aus. Seine blaue Gesichtsfarbe wertete ich als untrügliches Zeichen für ein ernsthaftes medizinisches Problem. Mein Team und ich eilten sofort zu ihm, setzten ihm eine Sauerstoffmaske auf, und während sich die Kollegen um die »Verkabelung«, also das Befestigen unserer Messinstrumente, kümmerten, versuchte ich herauszubekommen, was geschehen war.

Die Leitung der Betreuungsstätte setzte mich umgehend ins Bild. Herr Schuster sei vor ungefähr fünf Minuten plötzlich blau angelaufen und habe die Kommunikation eingestellt.

Ich fragte, ob der Patient gerade beim Essen gewesen war – denn das hätte vieles erklärt. Leider war dem nicht so. Herr Schuster, so erfuhr ich, aß sowieso nie etwas, denn seit einem Schlaganfall vor zwei Jahren wurde der Fünfundachtzigjährige über eine Magensonde ernährt, die über die Haut direkt in das Organ führte. Ich war alarmiert.

»Hat Herr Schuster normal am Leben teilgenommen?«, wollte ich wissen.

»Ach, wo denken Sie hin!«, antwortete die zuständige Altenpflegerin. »Der Gute konnte vom Hals abwärts überhaupt nichts mehr bewegen. Der Schlaganfall hat ihn fast komplett gelähmt.«

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