Reform der Psychotherapeutenausbildung: Noch viele Fragen offen

Das Bundesgesundheitsministerium hat Eckpunkte zu einem Hochschulstudium der Psychotherapie vorgelegt, das mit Approbation und Staatsexamen abschließt. Die Psychotherapeuten stellen Ideen zur künftigen Weiterbildung vor.

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Die Psychotherapeutenausbildung könnte grundlegend reformiert werden. | skynesher/iStock

Das „Geheimpapier“ kursierte bereits eine Weile durch die Lande und sorgte für Aufregung, bevor das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Gelegenheit hatte, es offiziell vorzustellen: Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im BMG, präsentierte das Eckpunktepapier zur Reform der Psychotherapeutenausbildung bei der Tagung zur „Reform des Psychotherapeutengesetzes“ der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) am 8. November in Berlin. „Wir legen ein Modell für ein psychotherapeutisches Hochschulstudium mit Approbation und Staatsexamen vor, das unseren und Ihren Anforderungen entspricht. Auch die Länder haben ihre Zustimmung signalisiert“, sagte sie. Die künftige Ausbildung soll für die Behandlung Erwachsener sowie Kinder und Jugendlichen qualifizieren. Auch praktische Inhalte sollen in das Hochschulstudium integriert werden (siehe Kasten).

Gründe für die Reform

Der Präsident der BPtK, Dr. rer. nat. Dietrich Munz, wies noch einmal auf die Gründe für die dringende Reformbedürftigkeit der Ausbildung beziehungsweise des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) hin: die föderalen Ungleichheiten bei der Zulassung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP), denn einige Bundesländer erkennen bereits den geringer qualifizierten Bachelor für die Ausbildung zum KJP an; die prekäre finanzielle Situation der angehenden Psychologischen Psychotherapeuten (PP) und KJP, die „einer sozialen Selektion“ gleichkomme sowie die starke Orientierung der derzeitigen Ausbildung an der ambulanten Versorgung, „obwohl unser Tätigkeitsfeld viel breiter ist“, so Munz.

Schon seit einigen Jahren wurde auf den Deutschen Psychotherapeutentagen diskutiert, wie die postgraduale Ausbildung (Hochschulstudium der Psychologie oder Sozialpädagogik [KJP] mit anschließender drei- bis fünfjähriger Ausbildung an privaten oder universitären Instituten) reformiert werden könnte, um diese Probleme zu lösen. Am Ende dieses Prozesses stand der Beschluss des 25. Psychotherapeutentags im November 2014 zur sogenannten Direktausbildung, also eines Psychotherapiestudiums mit anschließender Weiterbildung, analog zur ärztlichen Aus- und Weiterbildung.

„Die Bundesärztekammer (BÄK) will zur Problemlösung der psychotherapeutischen Ausbildungsreform beitragen“, erklärte Dr. med. Ulrich Clever, Vorstandsbeauftragter der BÄK für Fragen der ärztlichen Psychotherapie, bei der Tagung. „Das heißt auch, dass wir PP und KJP als eigenständigen Heilberuf anerkennen – obwohl viele in den Reihen der Ärzteschaft das nicht wollen.“ Clever appellierte an die BPtK, auch künftig von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten zu sprechen und nicht den Begriff „Psychotherapeut“ für sich zu beanspruchen. Denn: „Die ärztliche Psychotherapie darf nicht in Vergessenheit geraten“. Darüber hinaus sei wichtig, dass der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie von BÄK und BPtK weiterhin gemeinsam betrieben werde.

Arbeitsentwurf zum PsychThG

Staatssekretärin Widmann-Mauz kündigte Gespräche über die Eckpunkte mit der BPtK und mit der BÄK an: „Wir wollen eine Reform mit Ihnen gemeinsam entwickeln.“ Anschließend will das BMG einen Arbeitsentwurf für ein neues PsychThG vorlegen, damit das parlamentarische Verfahren beginnen kann. Erst wenn der Entwurf vorliegt, könne über die Weiterbildung diskutiert werden, „denn das eine hängt mit dem anderen zusammen“, sagte die Staatssekretärin. Das Eckpunktepapier klammert die Weiterbildung bisher aus, was im Vorfeld bemängelt wurde. Das PsychThG werde in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr verabschiedet, „stehe aber in der nächsten ganz oben auf der Agenda“, erklärte sie.

Die Bundespsychotherapeutenkammer begrüßt die Eckpunkte: „Sie zeigen, dass das BMG an einer umfassenden Reform des PsychThG arbeitet und dabei wesentliche Forderungen von uns aufgreift“, erklärte Präsident Munz. Allerdings ließen die Eckpunkte noch Fragen offen: So sei unklar, ob mit einem Approbationsstudium in diesem Sinne „eine hinreichende Qualifizierung auf EQR-7-Niveau“ möglich sei. Der Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR) ist eine Initiative der Europäischen Union, der berufliche Qualifikationen vergleichbar machen soll. Die Ziffer 7 beschreibt das zweithöchste Niveau. Die reformierte Ausbildung müsse wissenschaftliche und praktische Kompetenzen vermitteln sowie die Grundlage für die Weiterbildung sein, forderte Munz. BPtK-Vizepräsident Nicolaus Melkop forderte: „Die Struktur des Studiums muss auch offen für Bachelor- und Masterabschlüsse sein.“ Staatssekretärin Widmann-Mauz erklärte hingegen, das BMG werde von dem Staatsexamen nicht abrücken.

Nach aktuellem Diskussionsstand der BPtK soll die Weiterbildung (WB) fünf Jahre betragen und hauptberuflich in Lehrpraxen oder komplementären Einrichtungen durchgeführt werden. Dort sollen die Psychotherapeuten in Weiterbildung (PiW) angestellt werden. „Weiterbildungsinstitute“, wahrscheinlich die derzeitigen Ausbildungsinstitute, sollen die WB koordinieren. Der zweijährige praktische Teil soll an psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken absolviert werden. Vorgesehen ist eine Spezialisierung entweder für Erwachsene oder für Kinder und Jugendliche sowie der Erwerb der Fachkunde in mindestens einem Psychotherapieverfahren. „Für die Finanzierung der Weiterbildung müssen noch Lösungen gefunden werden“, erklärte Munz.

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