Den ersten Beleg für das Fachgebiet der Anästhesiologie machte Krabs im 1. Buch Mose (Genesis II, 21) aus: "Und da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf auf den Menschen (Adam) fallen, so dass er einschlief, nahm ihm eine seiner Rippen und verschloss darüber das Fleisch", heißt es da. Das sei der Beleg, dass die Anästhesie ganz am Anfang stehe – die Chirurgie komme erst danach, kommentierte Krabs schmunzelnd.
Vom Theater in den OP – der Weg zur modernen Anästhesie
Jenseits von Legenden, der brachialen Holzhammermethode, alkoholischen Getränken und dubiosen Opiumtinkturen sei der Ursprung der modernen Anästhesie in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu suchen: Damals wurde Lachgas allerdings zunächst in Varietévorstellungen verwendet. "Lachgas heißt Lachgas, weil das Publikum lacht – mit der Wirkung auf den Patienten hat das nichts zu tun", erklärte Krabs. Im Dezember 1844 habe der US-amerikanische Zahnarzt Horace Wells eine entsprechende Vorstellung besucht und die anästhetische Wirkung des Gases enteckt: Ein Mann sei im Lachgas-Rausch gestürzt und habe sich eine stark blutende Wunde zugezogen – und das, ganz ohne Schmerzen zu spüren. Am nächsten Tag habe Wells einen Patienten mit Lachgas betäubt und dann einen Zahn gezogen. Eine entsprechende Demonstration am Boston General Hospital scheiterte allerdings, weil Wells eine falsche Dosierung wählte.



Während Wells – ausgelöst durch diese Niederlage – an einer Depression erkrankte und sich später das Leben nahm, werde der Beginn der modernen Anästhesie heute einem seiner Schüler zugeschrieben, erklärte Krabs: dem Zahnarzt William Thomas Green Morton. Am 18. Oktober 1846 fand der so genannte "Äthertag" statt: Morton demonstrierte am Massachusetts General Hospital die erste öffentliche Inhalationsnarkose mit Schwefeläther.
Wie sich die moderne Anästhesie im 20. Jahrhundert entwickelt hat, beschrieb Krabs im Anschluss: 1937 wurde in Großbritannien der erste Lehrstuhl für Anästhesie eingerichtet, 1953 wurde der "Facharzt für Anästhesie" Teil der Facharztordnung in Deutschland. 1960 wurde die Anästhesie dann an den Universitäten etabliert.
Die Anästhesie im 21. Jahrhundert – die Krankenhausarchitekten
Heute habe sich das Fachgebiet erweitert – auf inzwischen fünf gleichberechtigte Bereiche, brachte Krabs seinen historischen Überblick in die Gegenwart: Neben der Anästhesie gehöre inzwischen die Intensivmedizin, die Notfallmedizin, die Schmerztherapie und die Palliativmedizin mit zu diesem Fachbereich. Außerdem seien Zusatzaufgaben wie OP-Management, Schockraum-Management, innerklinische Rettung, Ethik, Kommunikation und Antibiotic Stewardship Teil des Berufsbildes.
Krabs verglich die Zusammenarbeit im Krankenhaus mit der Arbeit auf einer Baustelle. Auf der Baustelle gebe es verschiedene Gewerke wie Maurer, Elektriker oder Installateure – jeder von ihnen habe einen wichtigen Teil zum Bauprojekt beizutragen. Übertragen auf das Krankenhaus seien die Installateure die Fachärzte für Gefäßchirurgie, die Elektriker die Kardiologen und die Maurer die Orthopäden. Einer jedoch müsse für die Zusammenarbeit sorgen und das große Ganze im Blick behalten: Was auf der Baustelle der Architekt sei, sei im OP der Anästhesist. Das verbreitete Vorurteil, Anästhesisten seien die Faulenzer im OP, sei also unbegründet.
Operation Karriere Bochum, 29.06.2018. „Facharzt für Anästhesiologie – vom Varieté zum Krankenhausarchitekten", Dr. Carsten Krabs, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Malteser Krankenhaus St. Johannes-Stift, Duisburg-Homberg.