Den Impuls für die Podiumsdiskussion „Arztsein in Zeiten der Arbeitsverdichtung“ gab Dr. Matthias Krüger, Bündnis Junge Ärzte und Sprecher des chirurgischen Nachwuchses im BDC (Berufsverband Deutscher Chirurgen e.V.): „Zukunft gestalten statt darauf zu warten“ lautete sein Appell. Krüger zitierte den MB-Monitor 2015, eine Befragung des Marburger Bundes, die die Unzufriedenheit von Ärzten zum Ausdruck bringt. Die zunehmende Arbeitsverdichtung, der hohe Zeitdruck und der Personalmangel belasten in Kliniken angestellte Ärzte und Ärztinnen.
Doch die Belastung geht über eine reine Arbeitsbelastung hinaus, sie wirkt sich auch negativ auf das gesundheitliche Befinden und das Privatleben der Ärzte aus. Krüger spricht in diesem Zusammenhang von einem enormen ökonomischen Druck, z.T. gebe es noch etliche Ärzte mit Ziel- und Bonusvereinbarungen (v.a. Chefärzte). Als Gründe für die Unzufriedenheit in der Chirurgie gelten laut Krüger die fehlende Wertschätzung durch Führungskräfte, psychische und physische Belastung und ungenügende Bezahlung. Nur die Hälfte der Chirurgen würde ihren Arbeitsplatz weiterempfehlen. Letztendlich sei das Krankenhaus einfach kein Top-Arbeitgeber.
Ärzte sind Leistungserbringer – kein Kostenfaktor
Krüger betonte, dass die ärztliche Behandlungskunst nicht zum Renditefaktor verkommen dürfe. Daher fordert er die Reformierung des DRG-Systems (Diagnosis Related Groups, diagnosebezogene Fallgruppen) und Medizin neu zu denken. Die Medizin sei ein interdisziplinäres und multiprofessionelles Gebiet und man müsse ehrlich mit der zu erwartenden Kostensteigerung umgehen.
Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, führte an, dass sowohl der Bedarf an ärztlicher Leistung steige als auch die jährliche Zahl der berufstätigen Ärzte – doch steige der Bedarf an ärztlicher Leistung schneller. Aufgrund von Arbeitszeitverkürzungen und einer hohen Zahl an Teilzeitverträgen nimmt zwar die Kopfanzahl von Ärzten im System zu, die Arbeitszeit wird jedoch nicht gesteigert.
Dr. Matthias Raspe, Bündnis Junge Ärzte, Sprecher der Jungen Internisten in der DGIM (Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V.) und selbst junger Arzt und Vater, bestätigt aus eigener Erfahrung, dass es alternativlos ist, die Arbeitszeit zu reduzieren, sobald eigene Kinder da sind. Um die ärztliche Leistung zu steigern, mache es Sinn, bürokratische Aufgaben für Ärzte zu reduzieren und dadurch mehr Zeit am Patienten zu ermöglichen. Das aktuelle System sei nicht zukunftssicher, einen möglichen Ansatz biete seiner Einschätzung nach Value Based Healthcare.
Aktivere Mitgestaltung der Gesundheitspolitik durch junge Ärzte
Die Diskussion wurde rege geführt, es gab zahlreiche Wortmeldungen. Eine junge Ärztin aus dem Publikum warf ein, dass sie davor warne, ärztliche Tätigkeiten zu delegieren, dies sei nicht möglich. „Ist das so?“, entgegnete Raspe. In bestimmten Bereichen wäre das durchaus denkbar. Als Beispiele nennt er die Wundpflege in der Chirurgie und die Blutzuckereinstellung in der Inneren Medizin. Raspe stellte die Frage, warum diese Aufgaben nicht durch qualifiziertes Pflegepersonal oder Assistenzberufe übernommen werden sollten. Dem stimmte Montgomery zu, man dürfe an dieser Stelle ärztliche Delegation nicht mit Substitution verwechseln.
Am Ende der Diskussionszeit stand ein gezielter Appell an die jungen Ärzte. Mehr junge Ärzte sollten sich in die ärztlichen Organisationen wie etwa in die Bundesärztekammer einbringen und die ärztliche Zukunft selbst mitgestalten. Dies befürwortete zum Abschluss der Diskussion auch Raspe: „Wenn man sich als junger Arzt anbietet, stehen einem die Türen offen, mitzumachen.“
Quelle: Satellitensymposium Medizin der Zukunft – durch junge Ärzte heute. Podiumsdiskussion „Arztsein in Zeiten der Arbeitszeitverdichtung“. Im Podium: Dr. Matthias Krüger, Bündnis Junge Ärzte, Sprecher des chirurgischen Nachwuchses im BDC; Dr. Matthias Raspe, Bündnis Junge Ärzte, Sprecher der Jungen Internisten in der DGIM; Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer; Roland Engelhausen, Vorstandsvorsitzender der IKK Südwest; Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates. Congress Center Hamburg, 23.05.2016