Der Einstieg in den klinischen Alltag: "Lassen Sie sich nicht entmutigen!"

Nach dem Studium bietet sich für junge Mediziner eine Vielzahl von Möglichkeiten. Das ist toll – kann aber auch Angst machen. Dr. Johannes Albert Gehle von der Ärztekammer Westfalen-Lippe hielt beim Operation Karriere-Kongress in Bochum ein Plädoyer für mutige erste Schritte in den Arztberuf.

Gut vorbereitet auf den ärztlichen Alltag? Auf viele junge Ärzte wartet nach dem Ende des Studiums der Praxisschock. Dr. Johannes Albert Gehle gab in seinem Vortrag auf dem Operation Karriere-Kongress in Bochum Tipps für einen gelungenen Berufseinstieg. | Hanke

"Der Arztberuf ist ein freier Beruf. Das heißt: Sie haben selbst viel Verantwortung und müssen sich kümmern. Aber keine Sorge – die Kammern unterstützen Sie dabei", erklärte Gehle dem Kongress-Publikum in Bochum. Beim Berufseinstieg erwarte viele zunächst ein Praxisschock. Davon sollte man sich aber nicht entmutigen und frustrieren lassen, erklärte das Vorstandsmitglied der Ärztekammer Westfalen-Lippe.

Wer das Studium abgeschlossen habe, fühle sich auf den ersten Job oft nicht gut vorbereitet: "Viele denken, sie wissen zwar viel, können aber fast nichts", fasste Gehle die Sorgen der Berufsanfänger zusammen. In seinem Vortrag versuchte er, diese Ängste abzuschwächen: "Sie haben keinen Grund zur Sorge: Sie sind gut ausgebildet, Sie werden auf dem Arbeitsmarkt umworben, für die Weiterbildung gibt es klare Regeln und die Ärztekammer wacht darüber, dass die auch eingehalten werden".

Da man als Berufsanfänger noch nicht auf Erfahrungen zurückgreifen könne, müsse man vor allem sich selbst und die eigenen Motive hinterfragen. Weiß ich schon was ich will? Oder bin ich eher unentschlossen? "Man braucht Mut, um zu sich selbst zu stehen", erklärte Gehle, "aber machen Sie sich keine Sorgen: Den einen richtigen Weg gibt es nicht. Also wagen Sie den Sprung ins kalte Wasser!" Wer sich während der Weiterbildung für ein anderes Fachgebiet oder eine andere Klinik entscheide, könne immer wechseln – in der Weiterbildungsordnung gebe es da kaum Einschränkungen.

KoStA überprüft die Arbeitsbedingungen in der Weiterbildung

Damit junge Ärzte in der Weiterbildung auch etwas lernen und gut betreut werden, prüft die Koordinierungsstelle Aus- und Weiterbildung (KoStA) regelmäßig die Rahmenbedingungen und gibt Empfehlungen, wo zum Beispiel besonders auf eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf geachtet wird oder wo es die Möglichkeit gibt, die Weiterbildung auch in Teilzeit zu absolvieren.

Um einen guten Weiterbildungsplatz zu finden, empfahl Gehle, vor der Vertragsunterzeichnung in der Klinik zu hospitieren. Dabei könne man vor allem auch mit den Assistenzärzten vor Ort sprechen und erfahren, wie die Weiterbildung ablaufe: Kümmert sich jemand darum, dass man alles Notwenige lernt? Hat man auch genug Freiraum? Wichtig sei vor allem, dass der künftige Chef auch die volle Weiterbildungsbefugnis habe. Das könne man im Internet recherchieren oder bei der KoStA erfragen. Die entscheidenden Fragen zur Weiterbildung lauten für Gehle aber: Fühle ich mich wohl? Und werde ich hier gut weitergebildet?

Aber auch andere Faktoren können eine Klinik als Arbeitgeber attraktiv machen. So biete fast jede Klinik die "Fachkunde Rettungsdienst" an. Aber auch eine betriebliche Altersvorsorge sei wichtig, betonte Gehle. "In den Stellenanzeigen hört sich immer alles ganz toll an. Aber bevor Sie unterschreiben, sollten Sie das überprüfen!", mahnte der Kammervertreter. Wenn der Assistenzarzt in der Weiterbildung immer von einem festen Mentor betreut werde, sei das zum Beispiel ein Indikator für eine hohe Qualität der Weiterbildung in dieser Klinik.

Der 121. Deutsche Ärztetag hat am vergangenen Freitag in Erfurt die Novelle der (Muster-)Wei­ter­­bildungs­ordnung beschlossen und damit einen sechs Jahre dauernden Reform­prozess beendet.

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Ob die Weiterbildung tatsächlich gut sei, werde von der Ärztekammer Westfalen-Lippe evaluiert. Dafür werden regelmäßig Weiterbildungsassistenten befragt, ob es Weiterbildungsgespräche und -pläne gibt. Am Ende zähle, was man tatsächlich gelernt habe und nicht, was einem bescheinigt werde. Bei schlechter Weiterbildung müsse die Klinik mit Konsequenzen rechnen: Unter anderem werde der Chefarzt von der Kammer um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. Im nächsten Schritt gebe es eine Vor-Ort-Besichtigung durch ein Visitationsteam.

"Jeder Arzt ist verpflichtet, an der Evaluation teilzunehmen", erklärte Gehle. Es sei schon ein schlechtes Ergebnis, wenn ein Arzt sich nicht beteilige. Als Tipp gab er den künftigen Assistenzärzten mit auf den Weg, sich schon im Bewerbungsgespräch nach den Evaluationsergebnissen zu erkundigen.

"Weiterbildung ist kein Selbstläufer!"

Bei allen Betreuungsangeboten müsse man als Assistenzarzt aber eines immer im Kopf behalten: Die Weiterbildung sei kein Selbstläufer, erinnerte Gehle. Man müsse sich um vieles selbst kümmern: So müsse man sich zu Beginn die Weiterbildungsordnung und die gültigen Richtlinien über den Inhalt der Weiterbildung besorgen. Auch das Logbuch zur Weiterbildung müsse von den jungen Ärzten selbst geführt werden. "In diesem Logbuch wird dokumentiert, was Sie in der Weiterbildung gelernt haben", erklärte Gehle, "Also: Von wann bis wann war ich in welcher Klinik? Wer war der Weiterbilder? Für welche Facharztrichtung soll meine Zeit dort angerechnet werden?" Das Logbuch sollte möglichst chronologisch sein und vom Chef unterschieben werden. In vielen Fällen werde es aber vernachlässigt und nicht gut gepflegt. Künftig solle das E-Logbuch die Dokumentation der Weiterbildung einfacher machen.

Das Logbuch sei für die Kammer wichtig, um gerichtsfeste Entscheidungen zur Qualifikation eines angehenden Facharztes treffen zu können, erklärte Gehle. Vor allem, wenn jemand während der Weiterbildungszeit in vielen verschiedenen Kliniken gearbeitet habe, gebe es oft Probleme, alles nachzuvollziehen. Deshalb sollte man sich den Fortschritt der eigenen Weiterbildung mindestens einmal im Jahr, auf jeden Fall aber bei jedem Stellenwechsel bescheinigen lassen. Das Formular könne man sich auf der Webseite Ihrer Kammer ausdrucken.

Bei den vorgegebenen Richtzahlen in den Weiterbildungsordnungen handle es sich tatsächlich um einen Richtwert: "Wenn 50 Ultraschalluntersuchungen vorgegeben sind und Sie haben nur 48 gemacht, entscheidet eine Kommission über die Zulassung zur Facharztprüfung. Dabei zählt das Gesamtbild und nicht, ob jemand exakt die Richtzahlen erfüllen kann", beruhigte Gehle. Im Zweifelsfall gebe es eine Nachfrage von der Kammer, ob man noch weitere Fallzahlen nachweisen könne.

Das Lernen hört niemals auf

Als Arzt müsse man ständig fachlich auf der Höhe der Zeit bleiben, mahnte Gehle. Dafür sei es wichtig, immer weiter zu lernen: "Die Weiterbildung ist ja kein Abfallprodukt Ihrer Arbeit in der Klinik. In der Weiterbildungszeit sollen Sie Kompetenzen als Arzt erwerben. Und Kompetenzen entstehen aus dem Zusammenspiel von Wissen, Fertigkeiten und Persönlichkeit".

Quelle: Operation Karriere Bochum, 18.05.2019, Impulsvortrag: "Der Start als Arzt – Was Ärzte in Weiterbildung erwartet", Dr. med. Johannes Albert Gehle, Mitglied des Vorstands der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Münster/Westfalen

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