Was braucht man, um ein guter Chirurg oder eine gute Chirurgin zu werden? In seinem Vortrag verwies Prof. Dr. Atesch Ateschrang zunächst auf die Grundlagen: Solides Wissen über Anatomie, aber auch über die Physiologie des Menschen seien hier ganz wichtig. Um eine gute Operationsindikation stellen zu können, müsse man viel wissen – speziell in der Allgemeinchirurgie seien auch gute internistische Kenntnisse gefragt.
Denn Chirurginnen und Chirurgen arbeiten nicht nur mit dem Skalpell in der Hand: Zum Berufsbild gehören auch diagnostische Aufgaben. Um die richtigen Diagnosen stellen zu können, müsse man sich beispielsweise auch mit der Bildgebung auskennen und verstehen, was auf einem MRT-Bild zu sehen sei. Darauf baue dann später die Therapie auf. Auch wichtig: Gute Kommunikationsfähigkeit, um den Patienten oder die Patientin seriös über die Erfolgsaussichten einer Operation aufklären zu können. Denn zu den Aufgaben in der Chirurgie zähle nicht nur das Operieren, sondern auch das Beraten. Dabei gehe es darum, für alle individuell zugeschnittene Konzepte zu entwickeln – daran sind oft auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachgebieten beteiligt.
Voraussetzungen in der Chirurgie
Neben der manuellen Geschicklichkeit ist daher auch Teamfähigkeit eine wichtige Voraussetzung, um in der Chirurgie erfolgreich zu sein. Denn: Bei komplexen Verletzungen sind beispielsweise in der Unfallchirurgie alle gefordert und stehen entsprechend unter Stress – da sei Teamwork gefordert, erklärte Ateschrang.
In seinem Vortrag ging er speziell auf sein eigenes Fachgebiet ein: Die Orthopädie und – schwerpunktmäßig – die Unfallchirurgie. Die beiden Disziplinen seien 2005 aus berufspolitischen Gründen zusammengelegt worden, allerdings "menschele" es manchmal noch zwischen den beiden Teilbereichen. Wer sich auf diesen Bereich der muskulo-skeletalen Chirurgie spezialisieren wolle, habe viele Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln: Beispielsweise in der speziellen Unfallchirurgie oder der speziellen orthopädischen Chirurgie, in der man es vor allem mit besonders komplizierten Fällen zu tun bekommt. Dadurch verlängere sich die Weiterbildungszeit zwar, aber man könne auch aus einem Fundus an Erfahrungen schöpfen, die später bei schwierigen und speziellen Fällen sehr hilfreich seien, verriet Ateschrang. In solchen Fällen entwickle man gemeinsam mit mehreren erfahrenen Kolleginnen und Kollegen ein Konzept zur Behandlung.
Chirurgie: Ein krisensicherer Arbeitsbereich
Einen Bedarf an Chirurginnen und Chirurgen werde es immer geben, sagte Ateschrang – speziell mit Blick auf den demografischen Wandel und die alternde Gesellschaft. Denn Krankheitsbilder wie Osteoporose und Arteriosklerose werden immer häufiger – und gleichzeitig steige der Anspruch an eine gute Mobilität im Alter. Das mache die Chirurgie zu einem krisensicheren Betätigungsfeld.
Wer nicht sein gesamtes Arbeitsleben in der Klinik bleiben wolle, finde in der Chirurgie viele interessante Alternativen: So gebe es auch die Möglichkeit, in der Praxis zu arbeiten oder als Berater tätig zu sein. Ein Einsatz bei "Ärzte ohne Grenzen" sei für Chirurginnen und Chirurgen oft auch sehr bereichernd. Neben dem guten Gefühl, anderen Menschen helfen zu können, gebe es in anderen Teilen der Welt Krankheitsbilder, die man in Deutschland gar nicht mehr kennt: beispielsweise Tuberkulose der Gelenke oder schwere Frakturfolgen.
Auch im Bereich minimalinvasive bzw. endoskopische Chirurgie gebe es viele spannende Entwicklungen. Damit junge Ärztinnen und Ärzte hier nicht auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten lernen müssen, gebe es an vielen Kliniken Trainings-Labs, an denen man die Handhabung der hochspezialisierten Instrumente kennenlernen könne. All das mache die Chirurgie zu einem faszinierenden, abwechslungsreichen Fachbereich. Wenn eine Operation schnelle Erfolge zeige, sei das ein sehr befriedigendes Gefühl, das man mit der Einstellung von Medikamenten so nicht erreichen könne.
Beruf und Privatleben inzwischen besser vereinbar
Mittlerweile hat sich bei der Work-Life-Balance in der Chirurgie so einiges verändert: Teilzeit in der Weiterbildung sei beispielsweise kein Problem, allerdings verlängere sich dann die Weiterbildungszeit. Mit Engagement könne man schnell viel lernen, allerdings seien Teilzeitmodelle immer noch davon abhängig, ob auch die Vorgesetzten und das Team mitspielen. Ateschrang ermutigte das Publikum dazu, im Vorstellungsgespräch direkt nach den Teilzeitmodellen zu fragen – immerhin sei die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu reduzieren, seit einigen Jahren gesetzlich verankert. Inzwischen seien flexible Arbeitszeitmodelle selbstverständlich.
Quelle: Operation Karriere-Kongress Köln, 13. November 2021, "Chirurgie wählen?! – Kein Durchschnittsjob", Prof. Dr. Atesch Ateschrang, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, Ev. Stift St. Martin in Koblenz