Zu Beginn seines Referats erläuterte Karl, von welchen verschiedenen Faktoren die Entscheidung für eine bestimmte Facharztausbildung abhängig ist. Liegt einem ein kleines oder ein großes Fach mehr? Sieht man sich eher als Allrounder oder als Generalist? Träumt man von einer Laufbahn in der Klinik oder von der eigenen Praxis? Die Chirurgie liegt bei deutschen Medizinstudenten immerhin auf Platz fünf der beliebtesten Facharztausbildungen. Speziell der Bereich Gefäßchirurgie komme aber im Studium kaum vor, bemängelte Karl. Im Interview erklärt er, welche Besonderheiten diesen Fachbereich prägen und warum er persönlich sich für die Gefäßchirurgie entschieden hat.
Welche Fähigkeiten muss ein Assistenzarzt mitbringen, um ein guter Facharzt im Bereich der Gefäßchirurgie zu werden?
Eine wichtige Voraussetzung ist, dass jemand sich grundsätzlich für ein operatives Fach entscheiden möchte. Das setzt manuelle Fertigkeiten voraus. Speziell für die Gefäßchirurgie ist außerdem eine gewisse Detailverliebtheit erforderlich – man muss sich gern mit kleinen Dingen beschäftigen, und man muss sehr, sehr exakt im Millimeterbereich arbeiten können. Wo in anderen operativen Fächern kleinere Fehler vielleicht noch tolerabel sind, ist es in der Gefäßchirurgie nicht so. Außerdem sollte man eine gewisse psychische und physische Belastbarkeit mitbringen. Und man sollte kein Problem mit hierarchischen Strukturen haben – flache Hierarchien funktionieren in einem operativen Fach nur sehr begrenzt.
Was für Besonderheiten gibt es in der Gefäßchirurgie noch?
Die Gefäßchirurgie ist sicher das internistischste chirurgische Fach. Das spielt bei der Diagnosestellung und der Differentialdiagnostik eine Rolle. Außerdem sind die Patienten häufig schwer krank – wir haben es oft mit multimorbiden, auch sehr alten Patienten zu tun. In diesem Alter ist jeder Eingriff mit einem hohen Risiko verbunden. Das macht die Gefäßchirurgie besonders anspruchsvoll.



Welche Entwicklungen sehen Sie in der Gefäßchirurgie und was bedeutet das für die fachärztliche Weiterbildung?
Die Gefäßchirurgie hat sich in den letzten 25 Jahren extrem gewandelt. Wo früher noch größere operative Eingriffe erforderlich waren, gibt es heute immer mehr minimal-invasive Verfahren. Das ist heute Goldstandard oder zumindest die Behandlung der ersten Wahl – und in Zukunft wird sich dieser Trend vermutlich weiter fortsetzen. Deshalb müssen wir dem Nachwuchs heute diese interventionellen Techniken beibringen und vermitteln können – gleichzeitig aber auch noch die klassisch-operativen Methoden, die zwar heutzutage im Hintergrund stehen, aber nach wie vor ihre Berechtigung haben. Uns ist es wichtig, in der fachärztlichen Weiterbildung beide Methoden regelmäßig durchzuführen.
Warum haben Sie persönlich sich für die Gefäßchirurgie entschieden?
Für mich war schon im Studium von Anfang an klar, dass ich ein operatives Fach machen möchte. In keinem anderen Bereich der Medizin bekommen Sie so ein direktes Feedback über Ihr ärztliches Handeln und Tun. Hier können Sie ganz konkret Leben retten. Das war mir mit Blick auf mein Berufsleben viel wichtiger als die Vergütung. Für die Gefäßchirurgie habe ich mich entschieden, weil ich jemand bin, der filigranes Arbeiten schätzt. Außerdem gefällt mir, dass es eine anspruchsvolle, operative Tätigkeit ist – aber auch, dass das Fach so innovativ ist. Das bieten viele andere operative Fächer bei weitem nicht in diesem Umfang.
Operation Karriere Frankfurt, 03.02.2018. „Chirurg werden – Künstler mit Skalpell und Katheter“, Dr. Thomas Karl, Klinikdirektor Gefäßchirurgie an den SLK-Kliniken Heilbronn