Chirurg werden – kein Durchschnittsjob

Die Chirurgie ist etwas sehr Besonderes, aber nicht für jeden geeignet. In seinem Vortrag beim Operation Karriere-Kongress in Hamburg räumte der Chirurg Dr. Asmus Heumann mit Vorurteilen auf.

"Als Chirurg muss man sich selbst ständig hinterfragen", erklärte Dr. Asmus Heumann beim Operation Karriere-Kongress in Hamburg. | Hanke

Wenn die Chirurgie mit dem Label "Kein Durchschnittsjob" besetzt werde, stelle sich als erstes die Frage: Was ist eigentlich Durchschnitt? So leitete Heumann seinen Vortrag ein. "Bei der Chirurgie denken nach wie vor viele an die Lebensretter, die sich ständig an der Grenze des Machbaren bewegen", erklärte der Oberarzt, "doch solche Situation kommen im praktischen Alltag nur sehr selten vor."

Außerdem halte sich die Vorstellung hartnäckig, dass man als guter Chirurg nicht gleichzeitig ein guter Vater oder eine gute Mutter sein könne, wie es Jakob Izbicki formuliert habe, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und damit Heumanns Chef. Er selbst habe zweimal problemlos Elternzeit genommen.

Allerdings gebe es derzeit einen Paradigmenwechsel, weil jungen Ärzten eine Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben immer wichtiger werde: "In 20 Jahren wird es keine chauvinistischen Chefärzte mehr geben", zitierte Heumann einen Artikel in der ZEIT (12. Juni 2019).

Als Chirurg dürfe man sich selbst nicht als Halbgott in Weiß verstehen. "Von den Fähigkeiten des Chirurgen hängt oft unmittelbar ab, wie hoch die Chancen auf Heilung sind", erklärte Heumann, "mitunter gelingt Ihnen eine Operation nicht – dann müssen Sie mit den Komplikationen leben und sich fragen, ob Sie etwas falsch gemacht haben". Er forderte daher, sich selbst als Chirurg ständig zu reflektieren und zu hinterfragen: "Nur so kann man aus eigenen Fehlern lernen und sich weiterentwickeln". Dazu gehöre, dass niemand die gesamte Breite des Fachs abdecken müsse. "Spezialisieren Sie sich!", riet der Oberarzt deshalb auch. Natürlich sei auch ein gewisses handwerkliches Geschick wichtig – aber letztendlich könne das auch ein Schimpanse lernen.

Gutes Teamwork statt Chauvinismus

Wichtiger sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und eine gute Kommunikation mit dem gesamten Team im OP. "Wenn Sie lange mit Ihrem Team zusammenarbeiten, können Sie im OP einfach die Hand ausstrecken und bekommen genau das Instrument, das Sie gerade brauchen", beschrieb Heumann die Vorteile guter Teamarbeit. Als Chirurg habe man Berührungspunkte zu allen anderen Bereichen der Klinik.

Wer sich für eine Niederlassung interessiere, sei in einem anderen Fach aber besser aufgehoben: "Das ist in der Chirurgie nicht so einfach möglich", gab Heumann zu. Die Chirurgie sei auch ein Bereich, in dem lebenslanges Lernen wichtig sei – man müsse einerseits ständig sein Fachwissen aktuell halten, aber gleichzeitig auch bei den handwerklichen Komponenten des Berufsbilds in Übung bleiben. Außerdem müsse man für jeden Patienten eine individuelle Lösung finden – ausgetretenen Pfaden zu folgen, sei oft nicht möglich.

Grundsätzlich sei es auch immer eine sehr individuelle Frage, welche Facharztrichtung für wen das Richtige ist: "Wer etwas Handwerkliches machen möchte, hat viele Möglichkeiten – nicht nur in der Chirurgie. Wem das nicht so liegt, der kann zum Beispiel in die Arbeitsmedizin gehen", erklärte Heumann. Eine andere Grundsatzfrage sei die Überlegung, ob man das Fach in einem universitären Umfeld betreiben wolle oder nicht. "An einer Uniklinik ist der Berufsalltag viel weniger planbar als in der Peripherie", verriet der Chirurg.

Mehr Durchschnitt wagen!

Wer Chirurg werden wolle, müsse zunächst hospitieren und an der Klinik seiner Wahl das Gespräch mit den Assistenzärzten suchen – so könne man leichter herausfinden, was man selbst wolle. Aber die Chirurgie werde sich in Zukunft auch verändern, prognostizierte Heumann: "Es wird künftig zum Beispiel eine gezielte Frauenförderung geben. Mit einem Verhältnis von einer Frau auf vier Männer, wie wir sie aktuell haben, ist das Fach nicht zukunftsfähig".

"Wir müssen mehr Durchschitt wagen", forderte Heumann zuletzt mit Blick auf den Titel seines Vortrags. Zwar sei die Chirurgie ganz und gar kein Durchschnittsjob, aber mit etwas mehr Durschnittlichkeit, etwa durch planbarere Arbeitszeiten, eine strukturierte Ausbildung und verschiedene Subspezialisierungen, könne man ein zufriedeneres Arbeiten ermöglichen.

Quelle: Operation Karriere Hamburg, 14.06.2019, "Chirurg werden – kein Durchschnittsjob", Dr. med. Asmus Heumann, Oberarzt, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg

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