Seit einigen Wochen setze ich gelegentlich Akupunktur in meinem ärztlichen Stationsalltag ein. Nach knapp 50 Stunden Akupunkturkurs und dem Durchlesen eines kleinen Buches würde ich mich noch immer als Anfänger bezeichnen und entsprechend nutze ich sie nur dann, wenn ich einerseits nicht mit Standardmaßnahmen ausreichende Besserung erziele und anderseits, wenn ich davon überzeugt bin, dass es kein Risiko für den Patienten, aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit von Besserung gibt.
Deshalb halten sich bei mir die Indikationen im überschaubaren Rahmen und beinhalten Schulter-, Ellbogen-, Rücken-, Hüft-, Knie- und Fußschmerzen, in seltenen Fällen auch Übelkeit oder Schwindel. Bevor ich akupunktiere, versuche ich eine randomisierte Publikation zur Indikationsstellung durchzulesen und schreibe mir zu nutzende Einstichstellen aus der Studie heraus. Natürlich kläre ich den Patienten nicht nur über die Akupunktur, sondern auch meinen Stand als Anfänger auf.
Da ich derzeit in einem wirklich kleinen Landkrankenhaus im US-Bundesstaat Minnesota arbeite, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich mein Einsatz von Akupunktur herumgesprochen hatte. Neben Anfragen von einigen Krankenschwestern um eine Akupunktur, lag auch eines Morgens ein Schreiben auf meinem Tisch mit der Bitte, eine der Führungspersonen in der Verwaltung anzurufen.
So rief ich entsprechend an und erhielt zunächst Verständnis für mein Vorgehen. Doch wie üblich in den USA folgte auf die netten Worte die eigentliche Kritik: Mir wurde mit „sofortiger Wirkung“ jegliche Akupunkturerlaubnis entzogen und bei Zuwiderhandlungen „mögliche arbeitsrechtliche Schritte“ angedroht. Die Frau am anderen Ende des Hörers machte mir klar, wie ernst sie es meinte und verwies mich an die Chefin unseres Krankenhauses für weitere Rückfragen.
Trotzdem akupunktierte ich einige weitere Male, und es folgte innerhalb nur weniger Tage eine zweite und noch deutlichere Warnung. Das Verbot war also ernst gemeint und so bemühte ich die Chefin um Erlaubnis und Aufklärung, wieso meine Akupunktur, eine sehr komplikationsarme Intervention, solchen Widerstand erzeuge.
Keine Akupunktur ohne Bezahlung
Schnell fand sich die Antwort: Das Krankenhaus hatte auf der einen Seite Angst vor juristischen Klagen, doch vor allem wollte man, auf der anderen Seite, Geld an ihr verdienen. Man sah es in der Verwaltung nicht gerne, dass ich kostenfrei Leistungen anbiete und verwies auf andere Institute, in welchen mit ähnlichen Interventionen jeweils zwischen 50 und 150 US-Dollar verdient werden könne. Deshalb bräuchte ich eben eine offizielle Erlaubnis, wobei – wie zu erwarten war – mein deutscher Akupunkturkurs nicht anerkannt werde und ich einen amerikanischen nachmachen müsse. Kostenpunkt übrigens vier- bis fünfstellig.
So stecke ich aktuell in einem Dilemma: Ich kann meinen Patienten mit meinem neu erworbenen Wissen in manchen Fällen helfen, darf es aber nicht anwenden. Es ist schon manchmal ein seltsames System, gerade wenn noch finanzielle und juristische Erwägungen mit einfließen.