Anästhesisten in Weiterbildung leiden unter Öko­nomi­sierung

Auch in der Anästhesie ist die Öko­nomi­sierung der Medizin für den Nachwuchs deutlich spürbar. Das zeigt eine Umfrage des Wissen­schaftlichen Arbeitskreises Wissenschaftlicher Nachwuchs (WAKWiN) und der Initiative „Junge Anästhesie“ der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensiv­medizin (DGAI) zusammen mit der Gruppierung „youngBDA“ des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA).

Anästhesie

Zu wenig Struktur hat die Weiterbildung für viele Anästhesistinnen und Anästhesisten. | sudok1/Fotolia

An der onlinebasierten Befragung von 895 Ärzten in Weiterbildung gaben 79 Prozent an, dass ihre ärztliche Weiterbildung unter der fortschreitenden Öko­nomi­sierung leide. Die befragten jungen Ärzte schätzen ihre psychosoziale Arbeitsbelastung als sehr hoch ein. Ein Teil der Ärzte zieht daraus persönliche Konsequenzen, zum Beispiel Arbeits­platz­wechsel oder die Abwanderung in andere Berufsfelder. Im stark verdichteten Arbeitsalltag kommen den Umfrageteilnehmern außerdem Fort- und Weiterbildung sowie familien- und forschungsfreundliche Arbeitsbedingungen zu kurz. Die Studie ist in der Zeitschrift Anästhesie und Intensivmedizin erschienen (2017; 58:429–440).

Strukturiertes Curriculum gefordert

Die globale Zufriedenheit mit der individuellen Weiterbildung zum Facharzt für Anästhesiologie entsprach laut Umfrage auf einer Skala von eins (sehr unzufrieden) bis fünf (sehr zufrieden) einem Median von drei. Besonders großes Verbesserungs­potenzial sehen die Befragungsteilnehmer in der inhaltlichen Strukturierung der Weiterbildung durch entsprechende Weiterbildungs- und Rotationspläne, die zu Beginn der Weiterbildung ausgehändigt werden. Nur 27 Prozent der Befragten haben zu Beginn ihrer Weiterbildung ein solches strukturiertes Curriculum erhalten.

„Mutmaßlich basiert die Weiterbildung in vielen Kliniken überwiegend nicht auf einem auf das Lernen ausgerichteten System, in dem aufeinander auf­bauende Lerninhalte den Arbeitstag bestimmen. Wahrscheinlich ist, dass der Einsatz der Ärzte in Weiter­bildung überwiegend rein durch die Erfordernisse der Krankenversorgung bestimmt wird“, schreiben die Autoren im Diskussionsteil der Studie. Dieses wenig strukturierte „learning on the job“ führe dazu, dass Lerninhalte nicht planbar seien und nicht aufeinander aufbauen könnten.

In der Umfrage geben außerdem 60 Prozent der Befragten an, dass Weiterbildungs­gespräche gar nicht oder nur unregelmäßig stattfänden. Erfolgten solche Gespräche, hält die Mehrheit der Befragten diese für nicht hilfreich. „An diesem Beispiel zeigt sich, dass sich selbst bei den verpflichtenden Aspekten der Weiterbildung noch immer inakzeptable Lücken und Schwächen in der flächendeckenden und konkreten Umsetzung zeigen“, so die Autoren.

Überwachung auf der Intensivstation

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Die Befragung zeige weiterhin, dass den jungen Ärzten ein geschütztes Lernumfeld während der Weiterbildungszeit sehr wichtig ist. Das Simulatortraining wird von den Umfrageteilnehmern als zweiteffektivstes Weiterbildungsinstrument nach der Supervision durch einen Facharzt/Oberarzt angegeben. „Angesichts der Zunahme an komplexen, multimorbiden Risikopatienten sowie der zunehmend komplexeren Medizintechnik mit neuen Behandlungsoptionen scheint es durchaus angebracht zu sein, dass das regelmäßige Trainieren in Simulatoren und ‚Skills Labs’ fest in die Weiterbildung implementiert wird“, folgern die Autoren.

„Anpassungen der Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen im Fachgebiet der Anästhesiologie erscheinen auf Grundlage der erhobenen Daten erforderlich, um die Gesundheit der betroffenen Ärzte in Weiterbildung, die Qualität der Patienten­versorgung und die Attraktivität des Fachgebietes für die Zukunft sicherzustellen“, so ihre Schlussfolgerung.  

Das Potenzial dazu ist auch der Umfrage zufolge vorhanden – entspricht doch die globale Zufriedenheit mit der augenblicklichen beruflichen Situation der Befragten trotz aller Kritik auf einer Skala von eins (sehr unzufrieden) bis fünf (sehr zufrieden) einem Median von vier.

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