Es ist schon einige Male in diesem Blog über Krankenschwestern, die arztähnlich tätig sind, geschrieben worden. Diese ärztlich tätigen Krankenschwestern, von mir manchmal im Gespräch mit deutschsprachigen Kollegen als „Schwestern Plus“ bezeichnet und hier im Text als ÄTKS abgekürzt, werden im amerikanischen als „nurse practitioners“, also Pflege-Praktizierende bezeichnet.
Sie sind Krankenschwestern beziehungsweise Krankenpfleger, die zusätzlich zu ihrem vierjährigen Pflegestudium und dem damit erworbenen Bachelor-Diplom, auch noch ein zwei- oder dreijähriges Zusatzstudium mit mindestens einem Master-Abschluß machen müssen. Zusätzlich haben sie im Regelfall mehrere Jahre praktische Erfahrung, sodass man zurecht eine gewisse Kenntnis innerhalb des Gesundheitswesens nach sechs bis sieben Jahren Studium und einigen Jahren Arbeit in der Krankenpflege erwarten kann. Inwieweit das mit einem Arztberuf vergleichbar ist, möge jeder für sich selber beantworten, viele meiner Kollegen, einschließlich mir, sehen das eher kritisch.
Mit solch einem Abschluss dürfen diese ÄTKS in etwa der Hälfte aller amerikanischen Bundesstaaten ohne ärztliche Aufsicht praktizieren, also unabhängig von Ärzten Patienten sehen, Medikamente verschreiben und in gewissem Umfang auch Eingriffe machen. In der anderen Hälfte der Bundesstaaten benötigen sie eine ärztliche Aufsicht, wobei diese, wie ich aus persönlicher Erfahrung weiß, meistens eher eine Formalität ist und ÄTKS grosso modo auch in diesen Bundestaaten unabhängig praktizieren.



Während sich das Einkommen einer regulären Krankenschwester im Regelfall zwischen 50.000-80.000 US-Dollar bewegt, beginnt das Jahresgehalt einer ÄTKS meist bei 100.000 US-Dollar und kann durchaus die 150.000-Grenze überschreiten. Einen guten Überblick, wenngleich mit leicht veralteten Zahlen, gibt folgende Seite: (https://nurse.org/resources/nurse-practitioner/).
Wenig überraschend nimmt die Zahl der ÄTKS Jahr um Jahr zu. All das habe ich schon in dem einen oder anderen Text im Laufe der letzten Jahre thematisiert, wie auch der Druck, der auf Ärzte durch diese ärztlich tätigen Krankenschwestern entsteht. Denn sie werden oftmals dort eingesetzt, wo man sich ein Arztgehalt nicht leisten will. Dadurch fallen viele Positionen zunehmend weg, in denen es sehr viele einfache Abläufe gibt, wie in Gefängnissen oder manchen Arztpraxen, bei denen vor allem Medikationsanpassungen, Verlaufskontrollen, Impfungen und Krebsvorsorge im Vordergrund stehen. Weiterhin gibt es im ländlichen Bereich manchmal keine Arztpraxis mehr, sondern eine mit einer ÄTKS.
In meinem Umfeld nehmen zwei Krankenschwestern an solchen Weiterbildungsprogrammen teil und wir reden in regelmäßigen Abständen darüber. Für mich kam hierbei überraschend heraus, dass diese Diplome zu 100 Prozent über das Internet erworben werden. Mit anderen Worten absolvieren diese beiden Krankenschwestern neben ihrer Arbeit ihre Universitätskurse an ihren freien Tagen, manchmal sogar während der Arbeit. Eine schrieb sogar kürzlich eine Prüfung und fragte dann Kollegen und mich nach den richtigen Antworten – sie bestand übrigens die Prüfung.
Studiengebühr: 20.000 bis 25.000 US-Dollar
Nach nur sehr kurzer Recherche fand ich im Internet eine große Zahl an Universitätsprogrammen, die in etwas weniger als drei Jahren zu 100 Prozent online und für eine Gesamtstudiumsgebühr von um die 20.000 bis 25.000 US-Dollar aus einer regulären Krankenschwester eine ärztlich Tätige machen kann, zumindest dem Diplom nach. Einen Überblick der günstigeren Programme gibt zum Beispiel folgende Seite: www.nursepractitionerschools.com/blog/most-affordable-online-fnp-programs/).
Wissenschaftlich ist belegt, dass am Bildschirm und im Internet gelernte Inhalte nicht so gut behalten werden wie solche, die im Klassenzimmer und mit analogen, also Papierdokumenten, erworben wurden. Das wissen die meisten Lernwissenschaftler mittlerweile, aber dieses Wissen hat dem Vormarsch von Onlineprogrammen bisher wenig Abbruch getan.
Soll so die Gesundheit der amerikanischen Bevölkerung verbessert werden?
Doch erschrocken war ich vor allem, als ich erfuhr, dass selbst praktische Übungen oft aus dem Schauen von Youtube-Videos bestehen. In einem konkreten Fall wurde das Nähen einer Wunde nicht reell gelernt, sondern Videos hierzu angeschaut. Auch die Intubation wird über Youtube-Videos gelernt, auch wenn wir Ärzte wissen, dass eine Intubation in der Wirklichkeit viel schwieriger ist als aus einem solchen Video hervorgeht.
Soll so die amerikanische Medizin des 21. Jahrhunderts aussehen? Im Internet ausgebildete Fachkräfte, die dann in der Praxis am Patienten lernen? Dafür sollen sie dann sechsstellige Jahresgehälter erhalten? Soll so die Gesundheit der amerikanischen Bevölkerung verbessert werden, gerade jetzt, in einer Zeit, in welcher die durchschnittliche Lebenserwartung seit einigen Jahren absinkt?