Die Niederlassung als selbstständiger Arzt in der eigenen Praxis ist für viele Mediziner eine favorisierte Form der Berufsausübung. Persönliche Unabhängigkeit, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie höhere Verdienstmöglichkeiten im Vergleich zur Tätigkeit als angestellter Arzt sind wichtige Faktoren für den Gang in die Selbstständigkeit. Das derzeit historisch niedrige Zinsniveau erleichtert zudem die Finanzierung einer eigenen Praxis.
Auch wenn die medizinischen Qualifikationen gegeben sind und zulassungsrechtliche Beschränkungen einer Niederlassung nicht entgegenstehen, wird beim Einstieg in die Selbstständigkeit doch regelmäßig fachkundige Unterstützung, insbesondere bei betriebswirtschaftlichen Fragestellungen, bei der Finanzierung sowie zu steuerrechtlichen Besonderheiten benötigt.
Möglichkeiten der Niederlassung
Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten für den Weg in die Selbstständigkeit: Entweder durch Übernahme einer bestehenden Arztpraxis oder durch Neugründung.
Ist eine Neugründung wegen zulassungsrechtlicher Beschränkungen nicht möglich, bleibt nur der Erwerb einer bestehenden Praxis. In der Regel ist dies allerdings auch die finanziell günstigere Variante – natürlich in Abhängigkeit vom vereinbarten Kaufpreis und unter Berücksichtigung eventuell notwendiger Investitionen.
Anstelle der Niederlassung in einer Einzelpraxis besteht für den niederlassungswilligen Arzt überdies die Möglichkeit, sich mit anderen Ärzten in einer Gemeinschaftspraxis niederzulassen. Nähere Informationen hierzu, insbesondere zu den verschiedenen möglichen Gesellschaftsformen (Berufsausübungsgemeinschaft, Praxisgemeinschaft, etc.) für einen solchen Zusammenschluss bietet beispielsweise die Internetseite www.lass-dich-nieder.de.
Welche Art der Niederlassung kommt in Frage?
Grundsätzlich sollten Sie für sich klären, welche Art der Niederlassung zu Ihnen passt. Kommt eher eine Einzelpraxis oder ein Zusammenschluss mit anderen Ärzten in Frage?
Der Besuch eines der zahlreichen, speziell für Ärzte ausgestalteten Gründer-Seminare kann hierbei für die Entscheidungsfindung hilfreich sein. Diese Gründer-Seminare vermitteln auch erste Informationen zu einzelnen Planungsschritten der Gründung sowie zu Zulassungsfragen. Angeboten werden solche Seminare beispielsweise durch die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank). Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) informiert niederlassungswillige Ärzte.
Sobald eine konkrete Entscheidung zugunsten einer der Niederlassungsvarianten getroffen worden ist, sollte – insbesondere zur Erörterung betriebswirtschaftlicher Aspekte sowie möglicher (steuer-)rechtlicher Risiken – ein persönlicher Berater (zumeist ein Steuerberater) zu Rate gezogen werden.
Übernahme einer bestehenden Arztpraxis vs. Neugründung: Chancen und Risiken
Bei der Übernahme einer bestehenden Praxis stellen die bereits vorliegenden betriebswirtschaftlichen Werte der Vergangenheit einen großen Vorteil im Vergleich zur Neugründung dar:
Zum einen ist durch die historischen Werte die Vollständigkeit der Kostenpositionen gewährleistet. Im Rahmen einer Neugründung kann bei der Planung nur allzu schnell eine Kostenart übersehen werden.
Zum anderen bietet die Analyse der Vergangenheitswerte die Sicherheit, zukünftige Gewinnerwartungen sowie weitere Chancen und Risiken prognostizieren zu können.
Um die bisherigen Werte mindestens auch beibehalten zu können, ist es ratsam, einen fließenden Übergang mit dem bisherigen Praxisbetreiber zu schaffen. Sinnvoll ist eine Übergangszeit, in der der bisherige und der neue Praxisinhaber gemeinsam tätig werden, und die es den Patienten ermöglicht, ein Vertrauensverhältnis zu dem neuen Arzt aufbauen zu können.
Im Gegensatz dazu erfordert die Neugründung vorab die intensive Analyse des Marktumfelds, um entsprechende Werte im Schätzungswege zu ermitteln. Die Wahl des Standorts und die Identifizierung von Konkurrenten im Einzugsgebiet sind erfolgsentscheidende Faktoren. Patientenzahlen – und damit einhergehend der zu erwartende Umsatz sowie die Betriebskosten der Praxis – müssen vollumfänglich geschätzt werden. Dies stellt oft eine der größten Hürden dar und birgt erhebliche Unsicherheiten und damit Risiken.
Erfahrungswerte anderer einholen
Hilfreich bei der Planung können die eigenen aber auch die Erfahrungswerte der Kreditinstitute und Steuerberater sein. Ebenfalls hilfreiche durchschnittliche Werte für Ärzte und Zahnärzte unterschiedlicher Fachrichtungen und Kooperationsformen werden in regelmäßigen Abständen im Internet veröffentlicht (beispielsweise zu finden unter Gesundheitsberichterstattung des Bundes: www.gbe-bund.de Betriebswirtschaftliche Eckdaten von Arztpraxen oder Statistisches Bundesamt: www.destatis.de.
Kostenstruktur bei Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen von psychologischen Psychotherapeuten – Fachserie 2 Reihe 1.6.1 - 2011). Diese Veröffentlichungen beinhalten auch Informationen über die durchschnittlichen Einkünfte eines Arztes der einzelnen Fachrichtungen. Diese Informationen können überdies bei der grundlegenden Entscheidung helfen, ob die Aufgabe einer sicheren Festanstellung zu Gunsten einer Selbstständigkeit überhaupt eine Option darstellt.
Neben den oben genannten Planungsunsicherheiten bietet die Neugründung allerdings die Möglichkeit, die eigenen Vorstellungen direkt umzusetzen, wohingegen die Umgestaltung einer bestehenden Praxis mit Blick auf die Akzeptanz bei den Patienten sowie beim vorhandenen Personal Schwierigkeiten bereiten kann.
Bei der Übernahme einer Praxis bestehen zudem steuerliche Haftungsrisiken; der Erwerber haftet für betriebliche Steuerschulden der Praxis. Diese Haftung kann im Außenverhältnis nicht wirksam ausgeschlossen werden. Eine Überprüfung der bestehenden Risiken durch einen Steuerberater ist daher ratsam.
Investitionen und Gründungskosten führen bei der Neugründung zu Betriebsaufwand: Langfristige Investitionen werden über den Zeitraum der Nutzungsdauer abgeschrieben und weitere Kosten mindern im Zahlungszeitpunkt das steuerliche Ergebnis.
Kaufpreis abschreibungsfähig
Bei Erwerb einer Praxis ist der Kaufpreis unter bestimmten Voraussetzungen vollständig abschreibungsfähig: Wird die Praxis beispielsweise unverändert fortgeführt, so ist der Wert der kassenärztlichen Zulassung (Arztsitz) ein unselbstständiger Teil des Praxiswerts und der gesamte Kaufpreis für eine Einzelpraxis kann über einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren ergebnis- und damit steuermindernd abgeschrieben werden.
Wird hingegen nur der Arztsitz erworben, handelt es sich dabei um ein nicht abnutzbares und somit nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut. Der Kaufpreis für den Arztsitz würde in diesem Falle erst bei späterer Veräußerung den Gewinn mindern.
Zur Autorin:
Birgit Mittelstädt ist seit 2011 als Steuerberaterin bei der Seitz Partnerschaftsgesellschaft mbB tätig und vornehmlich für Heilberufe zuständig. Sie berät regelmäßig Mediziner bei ihrem Schritt in die Selbstständigkeit.
Habe ich das Zeug für die eigene Praxis?
Die Verdienstmöglichkeiten hängen sehr stark von verschiedenen Faktoren ab. Darunter fallen beispielsweise die Art und Ausstattung der Arztpraxis, die medizinische Fachrichtung und das Bundesland beziehungsweise der Ort, an dem man niedergelassen ist.
Laut StepStone Gehaltsreport 2016 verdienen Klinikärzte im Durchschnitt mehr als niedergelassene Ärzte. Hinzu kommt, dass man als angestellter Arzt ein festes und geregeltes Einkommen mit regelmäßigen Gehaltserhöhungen hat. Wie in anderen selbstständigen Berufen ist einem auch als niedergelassener Arzt kein festes Einkommen gesichert.
Während man als Angestellter in einer Klinik häufig dem Schichtbetrieb ausgesetzt ist, wird in der eigenen Praxis meist nur am Tag gearbeitet.
Allerdings kann es durchaus sein, dass man als Praxisinhaber die eine oder andere Nachtschicht im Büro verbringen muss. Insbesondere bei der Gründung einer eigenen Praxis setzt man sich mit vielen Verträgen auseinander, wie dem Mietvertrag, Arbeitsverträgen und Kassenverträgen und verhandelt mit Krankenkassen und Banken.
Bei einer Praxisgründung hat man die Möglichkeit, sich selbst zu entfalten und sein Arbeitsumfeld frei zu gestalten. Außerdem wählt man selbst die Angestellten aus, kann also entscheiden, mit wem man zusammenarbeitet.
Die größere Gestaltungsmöglichkeit kann auch zum organisatorischen Mehraufwand werden. Denn gerade bei einer Neueröffnung ist auf eine Vielzahl von Dingen zu achten, wie zum Beispiel die Inneneinrichtung der Praxis, die Gestaltung der Visitenkarte oder die Planung des Webauftritts. Wer hier nicht strukturiert vorgeht, dem können die Aufgaben schnell über den Kopf wachsen.
Durch den starken Mangel an Ärzten und Fachärzten in einigen Gebieten gibt es an vielen Orten Beratungen und finanzielle Förderprogramme von Kommunen, die auf diesem Weg Ärzte anlocken wollen.
Die Ausgaben für eine Existenzgründung sollten nicht unterschätzt werden. Als Kosten sind, unter anderem, die Miete für die Praxis, deren Ausstattung sowie für Materialien, Angestellte und das eigene Gehalt einzuplanen. Bei einer Neueröffnung kommen noch Werbekosten hinzu.
Als junger Arzt hat man gute Chancen mit einer Praxisgründung oder Übernahme erfolgreich zu werden, da in naher Zukunft viele Ärzte in Rente gehen und in einigen Gebieten ein hoher Mangel an Fachärzten/Medizinern besteht.
Da eine ärztliche Überversorgung in den großen Städten und gleichzeitig eine Unterversorgung in den Randgebieten oder auf dem Land besteht, gibt es einzuhaltende regionale Beschränkungen, die die Ärzte-Dichte regulieren sollen. Eine Niederlassungsfreiheit besteht nur in ärztlich- und fachärztlich unterversorgten Gebieten.